Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Augen und sog genießerisch den Geruch des nassen Gesteins, des wilden Thymians und des Schweißes, der vom Rücken ihres Pferdes aufstieg, in sich auf.
Freiheit. Nichts anderes lag nun vor ihr als endlose Tage der Forschung …
Ruckartig erwachte Magyana aus ihrem Schlummer, als die Feder ihren Fingern entglitt. Ihr Gaumen war trocken, und die schale, überhitzte Luft im Zelt der Königin bereitete ihr Kopfschmerzen. Der Traum war so wirklich gewesen – und für einen winzigen Moment spürte sie tiefen Groll. Ich habe nie darum gebeten!
Magyana hob die Feder wieder auf, spitzte sie und lehnte sich resigniert auf ihrem Stuhl zurück. Freiheit war eine Illusion, die sie schon seit zu vielen Jahren sorgsam bewahrte. Die Gaben, die einen Zauberer auf die höchste Stufe der Orëska beförderten, forderten ihren Preis – immer wieder einen anderen, je nach Begabung.
Nun wurde die Rechnung für die Jahre ihrer Wanderschaft fällig, und sie saß fest und konnte weiter nichts tun, als über die Beste aller Königinnen zu wachen, während Idrilain gegen den Tod kämpfte, ihren letzten Widersacher auf Erden.
Wenigstens für kurze Zeit hatte Idrilain noch einmal neue Kräfte sammeln können. Die Abreise Klias nach Aurënen hatte ihr Hoffnung gegeben. In den Monaten, die seither ins Land gezogen waren, hatte sie sich verbissen an das Leben geklammert, sogar ein wenig zugenommen, als die Infektion ihrer Lungen nachließ. Die meisten Tage brachte sie in einem dämmerigen Halbschlaf zu, nur manchmal hatte sie einen Augenblick der Klarheit, beteiligte sich vorübergehend an der einen oder anderen Unterhaltung und hielt sich mit knappen Fragen über den Krieg und Klias Mission auf dem Laufenden, wenngleich die Berichte über Letzteres noch immer erschreckend spärlich ausfielen. Zu schwach und auch nicht gewillt, sich auf den Heimweg nach Rhíminee zu begeben, gab sich Idrilain damit zufrieden, sich im Lager aufzuhalten, dass nun im Wesentlichen der Führung Phorias unterstand. Als Zauberin der Königin blieb Magyana bei ihr, eingesperrt in diesem muffigen Zelt, umgeben von medizinischen Gerätschaften und dem schweren Dunst der Krankheit und einer sterbenden alten Frau …
Magyana schob die trübseligen Gedanken von sich. Und doch war sie gebunden, gebunden durch Liebe und Ehre und ihren Eid, bis Idrilain bereit war, sie von ihrer Pflicht zu entbinden. Oder bis die Königin selbst von ihrer Last befreit würde.
Um die Kranke nicht im Schlaf zu stören, trug sie ihre Schreibmaterialien und ihren Stuhl hinaus. Das Licht des späten Nachmittags tauchte das ausgedehnte Lager in seinen trügerisch sanften Schein. Magyana tauchte die Feder in das Tintenfass und fing noch einmal von vorn an.
›Mein lieber Thero, gestern haben die Plenimaraner die Linien der mycenischen Truppen zurückgedrängt, bis sie wenige Meilen von dem Ort, an dem ich nun sitze, schließlich ihre Stellung halten konnten. An der Ostküste Skalas stehen immer mehr Städte in Flammen. Noch schlimmere Geschichten erreichen uns von allen Seiten – in einer einzigen Nacht haben wir ein halbes Regiment der Weißen Falken verloren, vergiftet durch böse Dämpfe; tote Soldaten erheben sich, um ihre eigenen Kameraden niederzumetzeln; ein Dyrmagnos ruft Geisterterror und Feuersbrünste im hellen Tageslicht herbei. Manches ist nur das übliche Gerede unter Soldaten, aber einige der Geschichten haben sich als wahr erwiesen. Unser Freund und Bruder, Elutheus, hat selbst gesehen, wie ein Totenbeschwörer über Greshers Furt Blitze herbeigerufen hat.
Nicht einmal Phoria kann diese Berichte unberücksichtigt lassen, dennoch behauptet sie hartnäckig, derartige Attacken seien so selten, dass sie keine ernste Bedrohung darstellten. Tatsächlich könnte sie sogar Recht haben. Nachdem der Helm zerstört ist, können die Totenbeschwörer nicht genug Macht herbeirufen, um uns mit ihrer Magie zu überwältigen, dennoch reicht die Bedrohung durch die Totenbeschwörer, um Gerüchte zu nähren, die großen Schaden über unser Volk bringen.
Doch es gibt nicht nur schlimme Neuigkeiten. Zu Phorias Ehrenrettung sei gesagt, dass sie eine entschlossene, wenngleich nicht sonderlich diplomatische Heerführerin ist, und die Generäle vertrauen ihr. Vor etwas mehr als einer Woche hat sie einen bedeutenden Vorstoß gegen die feindlichen Kräfte im Osten befehligt und einige Siege errungen. Sag’ Klia, dass ihre Freundin, Kommandantin Myrhini, fünfzig Pferde des Feindes erbeutet hat. Das
Weitere Kostenlose Bücher