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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Tanzt mit dem Besen. Hält den Besen über den Kopf. Fegt eine Schneefontäne durch die Luft. Kommt aus der Puste. Lacht.
    Eine unbändige Lust am Herumspielen überkam sie. Yeah! Ich habe die erste Aufgabe gelöst! Schaut her! Nothing’s gonna stop me now … nana na na na na nananahhh!
    Sie setzte sich auf den Stil und ritt bis zum Gatter hinunter. Dort schlug sie eine Volte und wirbelte eine Wolke aus Schnee auf. Am liebsten hätte sie das Gatter aufgerissen und wäre weiter hinunter ins Dorf gejagt. Schaut her! Die Hexen reiten wieder, die Winterhexen sind los … Und wehe, ihr wagt es, ihnen eure Brötchen zu verweigern! Haha!
    Keuchend hielt sie inne. Wenn irgendjemand sie so sehen würde, müsste er sie entweder tatsächlich für eine Hexe oder für komplett übergeschnappt halten. Mit einem Kichern stieg sie ab und warf den Besen auf einen der Schneehaufen links und rechts des freien Wegs. In einem Dorf voller Irrer war sie die einzige Normale. Dann sollte sie sich vielleicht auch so benehmen. Sie dachte gerade noch rechtzeitig daran, das Handy wieder auszuschalten, um ihren Akku zu schonen.
    Ein Auto quälte sich den Hügel zu ihr hoch. Ein Van. Sie ging vor das Gartentor und wartete ab, wer sich Schattengrund näherte. So einsam es hier oben war, die Lage hatte einen unschätzbaren Vorteil: Man sah schon von Weitem, wer und was sich näherte.
    Der Wagen hielt, die Scheibe fuhr herunter, und der Retter ihrer Katze strahlte sie mit einem unverschämten Grinsen an.
    »Lieferservice.«
    Leon sprang heraus und öffnete den Kofferraum. Er war voll bepackt mit Brennholz, Kohlen, einem Dutzend Rinderrouladen in Dosen, mehreren Wasserkanistern, einem Karton Haushaltskerzen und einer Kiste mit weiteren Dingen, an die Nico niemals gedacht hätte, die er aber eines nach dem anderen herausholte und ihr unter die Nase hielt, als wäre sie unterwegs zum Nordpol und hätte die Wollsocken vergessen.
    »Taschenlampe!«
    »Hab ich.«
    »Fleecedecke.«
    »Hab ich.«
    »Tee?«
    »Äh …« Sie erinnerte sich, irgendetwas in dieser Art in Kianas Küche gesehen zu haben. Aber ob das noch genießbar war? Sie nahm das Päckchen, das Leon ihr reichte.
    »Zucker? Batterien fürs Radio? Radio?« Er gab ihr einen kleinen Weltempfänger. »Für den Wetterbericht und damit du weißt, wann die Straßen wieder frei sind.«
    »Gibt es was Neues?«
    Er runzelte die Stirn und begann, die Briketts auszuladen.
    »Alle Räumfahrzeuge sind im Einsatz, um die Hauptzufahrtstraßen frei zu kriegen. Wir haben grade eine kleine Atempause, aber in Goslar schneit es schon. Und was da runterkommt … Hallelujah.«
    Nico wuchtete die Kiste mit dem Radio heraus und packte gleich noch die Rouladen dazu. Leon hatte außerdem noch zwei Kilo Mehl, ein Dutzend Eier und eine Großpackung Stracciatella-Eis mitgebracht.
    »Ich mag aber kein Stracciatella«, sagte sie.
    Er war mit den Briketts schon unterwegs ins Haus und drehte sich auf den Stufen zu ihr um.
    »Aber ich.«

Zwölf
    Im Haus war es mittlerweile so dunkel, dass Nico überall Licht anmachte. Während sie den Rest der Vorräte hineintrug, beschäftigte sich Leon mit dem Holzstapel und der Suche nach kleineren Scheiten, die man zusätzlich zum Heizen benutzen konnte. Er kam kurz herein und fragte nach einer Axt. Nico vermutete, dass er vielleicht im Schuppen fündig werden könnte. Wenig später hörte sie, wie er draußen Holz hackte.
    Nico schaltete den Wasserkocher an und Minx machte sich über ihr Fressen her. »Pimp your Haferflocken«, hatte Nico gemurmelt, als sie eine halbe Roulade unter den Brei mischte und sich schwor, lieber zu verhungern, als Konserven zu essen, die wie Katzenfutter rochen und aussahen. Während Nico so in der Küche arbeitete und Leon draußen, beschlich sie ein merkwürdiges Gefühl.
    Merkwürdig deshalb, weil sie es noch nie gehabt hatte. Zumindest nicht in so einem Zusammenhang. Es war richtig, was gerade geschah, sagte es. Es fühlte sich gut an. Zwei Menschen, die versuchten, ein altes Haus bewohnbar zu machen. Nur für ein Wochenende, mehr nicht. Aber wie wäre es, wenn es für länger wäre? Fühlte es sich so an, wenn man zusammen war? Wenn man gemeinsam an etwas glaubte, es aufbaute, sein Leben mit jemandem teilte?
    Sie brühte den Tee auf und holte zwei Becher aus dem Regal. Dabei sagte sie sich, wie lächerlich dieser Gedanke war. Sie waren hier, weil der Zufall sie auf einem verschneiten Weg mitten in der Nacht zusammengeführt hatte. Und sie würde Siebenlehen

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