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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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der Dunkelheit unterwegs gewesen, um die Kinder zu suchen. Die Frau regte sich sehr darüber auf, dass niemand zurückgerufen hätte.«
    »Die Frau? Kiana?«
    »Kiana! Ja, so war ihr Name. Sie hatte ein Haus in Siebenlehen, Schattengrund. Komplizierter Kamin, verstopft sehr schnell. Die waren sich wohl nicht grün, die von Schattengrund und dem Schwarzen Hirschen. Ich habe keine Ahnung, warum. Sie hatte wohl Hausverbot oder so etwas, jedenfalls wollten sie sie am Anfang gar nicht hereinlassen. Es klang so, als ob sie vor Kurzem schon einmal da gewesen wäre und Krawall geschlagen hätte. Jedenfalls … Wissen Sie, man ist nur Gast und bekommt nicht alles mit. Jedenfalls wurde erst mal das Haus auf den Kopf gestellt und dann haben sich Suchtrupps gebildet. Auf einmal behauptete die Wirtin steif und fest, sie hätte gesehen, wie Fili mit Ihnen Richtung Berg marschiert wäre. Wenn Sie mich fragen – das stimmte nicht. Ich war eigentlich ab sechs unten. Das Mädchen ist alleine losgelaufen. Und niemand ist danach vor die Tür gegangen. Es war ja auch viel zu kalt. Kurz: Jeder, der behauptet, er hätte an diesem Abend zwei Kinder aus Siebenlehen in den Bergen verschwinden sehen, hat gewissermaßen sozusagen vielleicht eine getrübte Wahrnehmung der Dinge.«
    »Sie meinen … Die Wirtin hat gelogen?«
    »Hoffentlich trete ich damit niemandem zu nahe. Aber es klang mir sehr nach einer Schutzbehauptung.«
    Nico sah zur Decke und holte tief Luft. Sie konnte kaum glauben, was sie gerade gehört hatte. Herr Kress entlastete sie. Die Schuld, diese grässliche Schuld, schrumpfte, wurde immer kleiner und machte einer zaghaften, vorsichtigen Freude Platz. Es kam Nico so vor, als ob sie zum ersten Mal seit damals wieder tief durchatmen konnte.
    »Sind Sie noch dran?«
    »Ja!«
    Leons und Nicos Köpfe stießen beinahe zusammen, als sie sich wieder über das Handy beugten.
    »Herr Kress.« Nico fürchtete sich vor der Frage. Auch Leons Gesicht verdüsterte sich. Vielleicht, weil ihm erst jetzt bewusst wurde, dass Fili den ganzen Abend nicht von ihrer Familie vermisst worden war. Das zu hören musste bitter für ihn sein. Aber lange nicht so schrecklich wie der Vorwurf, der auf Nico gelastet hatte. »Können Sie sich noch erinnern, ob irgendetwas vorgefallen ist, bevor Fili verschwand? Hat ein Gast sich mit ihr gestritten? Oder hat sie sich besonders gut mit einem verstanden?«
    »Nein. Ich bin ihr ja auch nur ganz kurz begegnet. Im Treppenhaus. Sie kam aus einem Zimmer und hat mich fast umgerannt.«
    »Können Sie sich erinnern, welches Zimmer das war?«
    »Also wirklich, es ist doch so lange her. Nein. Im ersten Stock vielleicht? Wo war ich denn?«
    Nico blätterte in den Seiten. Sie achtete darauf, dass Leon sie nicht sehen konnte.
    »Zimmer 14.«
    Leon räusperte sich. »Das ist im ersten Stock.«
    »Dann muss es der zweite gewesen sein, denn das Mädchen war über mir. Ich wunderte mich noch. Ja. Ich wunderte mich.«
    »Worüber?«
    »Fili hat geweint. Sie war außer sich. Sie rief noch irgendetwas. Lass mich in Ruhe oder so. Geh weg. Nein! Geh zurück! Zurück, das hat sie gesagt. Merkwürdig, nicht? Dann stürmte sie die Treppe hinunter und hätte mich im Flur beinahe umgerannt.«
    »Ja«, antwortete Nico nachdenklich. »Das ist alles sehr merkwürdig. Vielen Dank. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, melden Sie sich?«
    Herr Kress schien einen Moment zu überlegen. »Es bringt doch nichts. Es ist doch schon so lange her.«
    »Ich muss mein Mosaik zusammenkriegen und da fehlen einfach noch ein paar Steine. Sie hat wirklich zurück gesagt?«
    »Ja. Wirklich. Mein armes Kind. Ich hoffe, du bist über die Tragödie hinweggekommen.«
    »Geht so«, antwortete Nico.
    »Dann grüß deinen Freund mit der erotischen Stimme von mir. Wenn er Lust auf eine Tasse Tee hat, ist er gerne gesehen. Du natürlich auch«, setzte er schnell hinzu.
    Nico grinste. »Danke. Wir werden es uns überlegen.«
    Leon beendete das Gespräch mit einer Berührung seines Zeigefingers auf dem Display. Dann steckte er das Handy ein.
    »Ich glaube, Herrn Kress können wir aus dem Kreis der Verdächtigen streichen«, sagte Nico. »Er steht weder auf Mädchen noch auf Frauen.«
    »Ja«, brummte Leon. »Das Gefühl habe ich auch. Und nun?«
    »Er scheidet aus. Aber er hat uns einen wichtigen Tipp gegeben. Im zweiten Stock ist etwas vorgefallen.«
    »Wer wohnte da?«
    Nico sah auf die herausgerissenen Blätter. »Der Pfarrer. Maik Krischek können wir wohl ausschließen,

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