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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Jahren von seiner Großmutter überschrieben worden. Das zugehörige Grundstück hatte Vogel an einen Golfplatzbetreiber verkauft und ganz gut daran verdient. Seine Mutter hatte auf das Erbe der Oma für sich selbst gehofft und war enttäuscht worden. So etwas kam leider vor, war aber normalerweise kein Grund für Mord.
    Thomas Vogels Frau Sabrina bot auch keine Anhaltspunkte. Sie hatte zwar Abitur, beruflich aber nur per Minijob in einem Kalbacher Supermarkt ausgeholfen. Unspektakulärer ging es kaum.
    Auffällig war nur, dass die Familie sehr isoliert lebte. Die Kollegen hatten in den zwei Wochen seit dem Mord noch keine Freunde der Vogels auftreiben können. Niemanden, der das Paar zu Hause besuchte. Die Auswertung der Telefondaten hatte praktisch keine Privatgespräche ergeben. Fast jede Nummer hatte sich als Kunde des Fliesenlegerbetriebs erwiesen. Mit seiner Mutter war Thomas Vogel ja wegen der Erbstreitigkeit verkracht; nach deren Aussage hatten sie seit Jahren nicht miteinander gesprochen. Vater Vogel lebte nicht mehr. Halbwegs regelmäßigen Kontakt gab es nur mit Sabrina Vogels Eltern, die mit Nachnamen Pfister hießen, ungewöhnlich alt für eine neunundzwanzigjährige Tochter waren und in einem Dorf namens Allmenrod bei Lauterbach lebten.
    Immerhin gab es die nach Kanada verzogene alte Schulfreundin von Sabrina Vogel, die mit der Familie, nach dem Telefonat zu urteilen, ganz gut bekannt war. Winter beschloss, diese Freundin noch einmal zu befragen. Kettler hatte das bloß oberflächlich getan: Bei Tatverdächtigen war Kettler motiviert und lieferte gute Arbeit, bei allen anderen Vernehmungen neigte er jedoch zur Schlamperei.
    Was Spuren des Täters betraf, so hatten die bisherigen Ermittlungen nur eine einzige erbracht. Diese Spur lieferten die nächsten Nachbarn des einsamen Hauses, die ungefähr sechzig Meter entfernt am Beginn der Stichstraße wohnten, ein älteres Ehepaar. Die Herrschaften berichteten, in der Mordnacht gegen zwölf durch eine Reihe von Schüssen geweckt worden zu sein. «Aber mir haben des für verfrühte Silvesterknaller gehalten», erläuterte die Frau. Winter hörte sich die Tonaufnahme an, da dies neben den Kindern die wichtigsten Zeugen waren. Auf Kettlers Protokolle konnte man sich ja leider nicht verlassen. Die Frau schwor, kurze Zeit nach den Schüssen («Na, lassen Se’s finf Minude gewesen sein») draußen ein Motorrad gehört zu haben, das vom Feldweg kam.
    Dieses nächtliche Motorradgeräusch war als Hinweis auf den Täter natürlich verdammt dünn. Zudem war die Suche nach einem Motorradfahrer im Bekanntenkreis der Vogels bislang vergeblich gewesen. Wegen des trockenen, frostigen Wetters hatten sie nicht einmal neuere Reifenspuren auf dem Feldweg gefunden, die sich untersuchen ließen.
    Winter klappte die Akte zu und stellte sich mit seinem Zigarettenersatz-Bleistiftstummel ein weiteres Mal vor die Wand mit den scheußlichen Fotos.
    Der Täter hatte eigens das Bett umrundet, um zu Sabrina Vogels Seite zu gelangen. Und Frau Vogel war zuerst erschossen worden. Demnach war wohl sie das Hauptziel des Anschlags gewesen und ihr Mann eher ein Kollateralschaden, zumal Thomas Vogel nur Bauchschüsse erlitten hatte. Bauchschüsse waren für gewöhnlich nicht tödlich. Vielleicht hatten der oder die Täter Thomas Vogel lediglich außer Gefecht setzen wollen, um in Ruhe fliehen zu können.
    Gehen wir mal davon aus, dachte Winter, Sabrina Vogel wäre der Schlüssel zu der Tat, nicht ihr Mann.
    Was war sie für ein Mensch gewesen?
    Die Akte gab über sie nicht gerade viel her. Winter wühlte zwischen den Deckeln, fand endlich ein Foto der jungen Frau zu Lebzeiten. Es zeigte sie in einer Arbeitslatzhose, in der Hand einen dicken Pinsel voll blauer Farbe, fröhlich, das blühende Leben. Sabrina Vogel hatte einen kleinen runden Mund, eine etwas kräftigere Nase und rote Wangen, ihr gänzlich ungeschminktes Gesicht wirkte noch sehr kindlich-jugendlich. Die Augenbrauen waren ebenso blond wie die Haare, und der unkonventionelle kurze Haarschnitt stand ihr ausgezeichnet.
    Die Angestellten des Kalbacher Supermarkts, in dem sie gearbeitet hatte, hatten sie unterschiedlich beschrieben. Als «lieb und schüchtern» charakterisierte sie die eine. Die nächste Kollegin hielt sie für eine Angeberin. Eine dritte wartete auf mit «chaotisch und ungeschickt, ließ immer alles fallen». Bei der letzten befragten Kassiererin galt Sabrina als «komisch irgendwie». Die Tote war anscheinend ein

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