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SchattenHaut

SchattenHaut

Titel: SchattenHaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nané Lénard
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vom Rumpf trennte.

Im Beichtstuhl
    Wolf Hetzer ließ der Gedanke an Pfarrer Fraas keine Ruhe. Sowohl die Haushälterin als auch Pfarrer Braun hatten seltsam reagiert. Hilde Brüderl war auf der Treppe zusammengesunken, als er sie gefragt hatte, ob er denn auch mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet habe. Und Pfarrer Braun hatte die Befragung etwas abrupt beendet, als das Thema in diese Richtung ging.
    Es war Sonntag, aber das war ihm egal. Hetzer entschloss sich, nach Hameln zu fahren. Er wollte mit Braun noch einmal unter vier Augen sprechen. Dass der Pfarrer im Beichtstuhl auf Sünder wartete, kam ihm gerade recht. Er erhoffte sich, dass sich Martin Braun auch ihm gegenüber aufgeschlossener und vor allem ehrlicher zeigen würde. Leise schlüpfte er in den Beichtstuhl.
    „Gelobt sei Jesus Christus!“
    „Ja, das auch, aber deshalb bin ich nicht hier.“
    „Herr Kommissar! Sie sind es. Das hier ist ein Beichtstuhl.“
    „Eben, und darum hoffe ich, dass Sie mir jetzt die Wahrheit über Pfarrer Fraas sagen. Sie beichten. Ich höre.“
    Stille.
    „Ich dachte, es wäre persönlicher und vor allem inoffizieller, wenn ich diesen Weg wähle.“
    Stille.
    „Wie Sie meinen, ich kann auch wieder gehen und Sie ins Präsidium vorladen.“
    „Warten Sie!“
    „Ich höre.“
    „Pfarrer Fraas war ein wunderbarer Mann. Ich liebte ihn wie einen Bruder. Ja, mehr noch.“
    „Waren Sie beide ein Liebespaar?“
    „Nein. Und ja.“
    „Was soll das heißen, nein und ja? Gab es eine homosexuelle Beziehung zwischen Ihnen und dem Ermordeten?“
    „Nein!“
    „Bitte, Sie müssen sich etwas näher erklären.“
    „Josef und mich verband die reine Liebe.“
    „Was bitte ist die reine Liebe?“
    „Wir waren einander verbunden, wir waren eins, unabhängig von unseren Körpern. Eine Liebe jenseits geschlechtlicher Interessen. Eine Verbundenheit im Geiste.“
    „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf Dauer funktionieren kann. Liebe schafft Sehnsucht. Wie soll sie ohne Berührungen befriedigt werden? Ohne dass man sich in die Arme nimmt?“
    „Das, was Sie meinen, ist eine niedere, fleischliche Art der Liebe. Begehren, Verlangen, Sehnsucht, Schmerz. Ich spreche von der reinen Liebe, die dieses alles nicht braucht. Sie ist allgegenwärtig und unauslöschlich. Selbst jetzt, nach Josefs Tod, ist seine Liebe für mich noch so greifbar wie in der Zeit, als er noch lebte. Verstehen Sie, die reine Liebe ist von äußeren Bedingungen unabhängig. Sie ist unbeeinflussbar.“
    „Nehmen wir dies mal als Tatsache hin. Können Sie mir erklären, wie Sie entdeckt haben, dass sie beide diese ,reine’ Liebe verbindet?“
    „Josef war damals aus Bayern gekommen. Dort musste er gehen, weil man ihm unglaubliche Dinge vorgeworfen hat. Damals verbrachte er viel Zeit mit einem der Schüler. Er ist inzwischen Kardinal in Rom. Man hat Josef unreine Gedanken unterstellt. Obwohl der Schüler immer verneint hat, dass es zu körperlichen Übergriffen gekommen ist, wurde Josef versetzt. Vielleicht, weil man befürchtete, es könne irgendwann so weit kommen. Sie sehen, wie verdorben die Menschen sind. Selbst in der Kirche. Niemand hat verstanden, dass auch diese beiden etwas Besonderes verband. Soweit ich weiß, haben sie sich bis zuletzt geschrieben. In Zeiten des Internets ist das einfacher geworden.“
    „Jetzt haben Sie mir meine Frage aber immer noch nicht beantwortet.“
    „Josef und ich haben einander genauso erkannt wie damals sein Schüler und er. An den Augen. Die Liebe erkennt und findet sich in ihnen. Ich war seinerzeit erst seit kurzem als junger Pfarrer hier. Josef hat mir viel geholfen. Gewusst haben wir von dieser Liebe seit dem ersten Augenblick, aber es hat Jahre gedauert, bis wir darüber sprechen konnten.“
    „Waren Sie denn gar nicht eifersüchtig auf den Geistlichen in Rom?“
    „Entschuldigen Sie, Herr Kommissar, ich sehe, dass Sie immer noch nicht verstehen. Reine Liebe eifert nicht. Es gibt dazu keinen Grund. Sie ist unendlich und kann darum mit vielen Menschen geteilt werden. Zu unserer Gemeinschaft der ,Amantes purus’, der ,Reinen Liebenden’ gehören viel mehr Menschen, als Sie sich vorstellen können. Im In- und Ausland. Und wir bleiben eben genau deshalb im Verborgenen, weil es nicht verstanden wird.“
    „Ist das so eine Art Geheimbund?“
    „Nein, das ist eine Gemeinschaft der Liebenden. Es kennt auch nicht jeder jeden. Es ist vielmehr wie eine Kette oder ein Stern. Ein Liebender, der mit mehreren in einer

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