Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
Vom Netzwerk:
Justizbeamten und selbst einiger Staatsanwälte wie sie selbst. Er vergaß keinen Geburtstag und kein Jubiläum im Gericht und ließ erwiesenermaßen jährlich über fünfzigtausend Dollar auf diversen Wohltätigkeitsveranstaltungen.
    Und da waren die Getränke noch nicht mitgerechnet.

    Aber ungeachtet all dessen rechnete sich Mills gute Chancen aus. Hier waren höhere Mächte am Werk, was sich schon daran zeigte, dass irgendein gutes Karma sie nach San Mateo County verschlagen hatte. Ihre ersten sieben Jahre als Anklägerin hatte sie in San Francisco verbracht, und obwohl sie immer über jedes vernünftige Maß hinaus vorbereitet gewesen war und nie einen Verdächtigen zu sehen bekommen hatte, der die Straftat, deren er oder sie angeklagt war, nicht begangen hatte, hatte sie es nur auf vier Schwurgerichtsprozesse gebracht - der Rest war von ihren Vorgesetzten mittels einer Verständigung im Strafverfahren, eines sogenannten »Deals«, für eine wesentlich niedrigere Strafe, als die Angeklagten in einer gerechten Welt erhalten hätten, abgewickelt worden - und in drei von diesen vier Prozessen wiederum hatten sich die Geschworenen nicht auf ein Urteil einigen können, und der vierte hatte in einem Freispruch geendet. In San Francisco, glaubte sie - weil es eine Tatsache war -, führten Schwurgerichtsprozesse einfach nie zu einem Schuldspruch.
    Dagegen San Mateo County!
    Sie liebte San Mateo County im selben Maß, wie dieses seine Kriminellen hasste - seine Vandalen, jugendlichen Bandenmitglieder, Einbrecher, Diebe und Mörder, alle ohne Unterschied. San Mateo County wollte, dass diesen Leuten Grenzen gesetzt wurden, und verließ sich darauf, dass das Rechtssystem das auch tat. Und das tat auch Mills, die ihre Eltern, die von einem Carjacker ermordet worden waren, als sie sechzehn war, trotz des Zungenbrechers von einem Namen geliebt hatte, den sie ihr bei ihrer Geburt aufgedrückt hatten.
    Damit stand San Mateo County grundsätzlich also schon einmal auf ihrer Seite. Angesichts ihrer Erfolge - oder besser Misserfolge - vor Gericht, war es ein Wunder, dass sie hier
überhaupt eine Stelle erhalten hatte. Das Einstellungsgespräch hatte an dem besonders unerfreulichen Nachmittag stattgefunden, an dem sie gerade die vierte ihrer vier Niederlagen vor Gericht eingesteckt hatte und innerlich kochend vor Wut mit einer mehr oder weniger unverhohlenen »Leck mich am Arsch«-Haltung zu dem Gespräch mit Falbrock erschienen war. Wieder Karma. Noch bevor sie sich selbst bremsen konnte, hatte sie sich in eine verbitterte »Keine Gefangenen«-Tirade hineingesteigert, und zu ihrer Überraschung und nicht geringen Freude hatte Falbrock, nachdem sie ihm ihre Ausnahmen von dieser Regel aufgezählt hatte, lächelnd geantwortet: »Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht auch Ladendiebe hinrichten sollten. Es ist schließlich eine Einstiegsstraftat.« Und er stellte sie vom Fleck weg ein.
    Als Nächstes kam ihr Mordopfer, Ron Nolan - ein junger, wohlhabender, gepflegter, gut aussehender und charismatischer ehemaliger Navy SEAL, ausgezeichnet mit drei Purple Hearts, den Afghanistan und Iraq Campaign Medals, der Liberation of Kuwait Medal, der Global War on Terrorism Expeditionary Medal, der Meritorious Service Medal und dem Bronze Star. Mills, die vom außergewöhnlichen Lebenslauf Ron Nolans im Zuge ihrer Mordermittlungen erfahren hatte, hatte sich mehr als einmal gefragt, warum es ihr nicht vergönnt gewesen war, ihn privat kennenzulernen, bevor er ermordet worden war. Sie hatte sich zwar nicht gerade in sein Andenken verliebt, konnte aber dennoch nicht leugnen, dass er eine an Vernarrtheit grenzende Faszination auf sie ausübte, und sollte sie seinen sinnlosen Tod in irgendeiner Weise rächen können, würde sie dies als Privileg und Pflicht gleichermaßen betrachten.

    Womit sie in Gedanken zu ihrem Angeklagten kam.
    Sie warf einen verstohlenen Blick zu Evan Scholler hinüber. In ihren Augen war er der Inbegriff eines verkommenen Drecksacks, und es stieß ihr noch immer sauer auf, ihn jetzt so herausgeputzt im Gerichtssaal zu sehen, in weißem Hemd und Krawatte und einem schicken Sakko. Aber sie war felsenfest davon überzeugt, dass die Geschworenen, sobald sie ihre Argumente vorgebracht hatte, hinter die Fassade sehen würden, die Washburn mit großem Geschick errichtet hatte, hinter das Bild des schwer verwundeten Kriegsveteranen mit der hübschen, hinter ihm stehenden Freundin und den loyalen Eltern; dann käme

Weitere Kostenlose Bücher