Schattenkampf
Eingeständnis in den Augen einiger Geschworener in ein schlechtes Licht rücken könnte.«
»Also wirklich.« Mills verdrehte die Augen. »Der Mann steht wegen Mordes vor Gericht, Euer Ehren. Er ist in das Haus des Opfers eingebrochen. Er hat zugegeben, mit einem Schlagring auf ihn eingeschlagen zu haben …«
»Mit einem Schlagring mit ihm gekämpft zu haben«, entgegnete Washburn ruhig. »Die Beweise deuten auf einen Kampf zwischen zwei ausgebildeten Kämpfern hin, nicht auf ein einseitiges Einschlagen des einen auf den anderen.«
»Das ist doch Haarspalterei der übelsten Sorte, Euer Ehren. Und bei genauerer Überlegung drängt sich mir sogar der Verdacht auf, ob Mister Washburn Lieutenant Lochlands Aussage nicht sogar mit ihm einstudiert hat, damit er noch Zeit hätte, Einspruch zu erheben, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn der Zeuge die Worte des Angeklagten einfach wiedergegeben hätte, wie er das bei mir immer getan hat.«
»Euer Ehren.« Washburns Miene spiegelte tiefe Bestürzung, dass seine Opponentin so tief gesunken sein sollte, ihn zu beschuldigen, ihren Zeugen präpariert zu haben, obwohl er natürlich genau das getan hatte. Wenn es ihm irgendwie gelänge, Evans unglückliche, im Suff hervorgestoßene Wortwahl aus dem Prozessablauf herauszuhalten, wäre das ein wichtiger Erfolg. »Ich verwehre mich aufs Nachhaltigste gegen die Unterstellung der Anklage, ich hätte mich unethisch verhalten.«
»Das behaupte ich doch gar nicht, Euer Ehren. Ich sage nur, dass die Geschworenen wissen, dass der Angeklagte alle diese ziemlich fragwürdigen Dinge getan hat und dazu noch seinen Vorgesetzten und seinen Freund, diesen Schlosser, belogen
hat. Die Tatsache, dass er ein Schimpfwort gebraucht hat, wird an diesem Punkt seinem Ruf wohl nicht mehr schaden.«
Tollson setzte seine Brille wieder auf und blickte durch sie finster auf die zwei Anwälte hinab. »Ich muss Ihnen beipflichten, Miss Whelan-Miille. Der Zeuge darf die Frage beantworten.«
»Euer Ehren«, protestierte Washburn. »Einem Zeugen zu gestatten, im Zeugenstand vulgäre Wörter zu gebrauchen, kann erdrutschartige Folgen nach sich ziehen und …«
»Counsellor, ich glaube nicht … wir reden hier doch nicht über das F-Wort oder das W-Wort, oder?«
»Nein, Euer Ehren«, sagte Mills.
»Das können wir doch noch gar nicht wissen, Euer Ehren. Der Zeuge hat noch nicht geantwortet.«
Die letzte Bemerkung kam bei Tollson nicht gut an. »Überreizen Sie es nicht, Counsellor. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Vergeuden Sie also nicht noch länger die Zeit des Gerichts.«
»Selbstverständlich nicht, Euer Ehren. Ich bitte um Entschuldigung.«
Tollson ignorierte ihn. »Miss Whelan-Miille«, wandte er sich der Anklägerin zu. »Sie können weitermachen.«
Nach diesem Scharmützel kehrte Mills wieder an ihren Platz drei Meter vor dem Zeugen zurück. »Lieutenant, würden Sie den Geschworenen bitte schildern, was genau die Worte des Angeklagten waren, als Sie ihn fragten, ob er einen Ron Nolan kennen würde und wüsste, dass er ermordet worden war?«
»Ja, Ma’am.« Frustriert, dass er es nicht umgehen konnte, machte Lochland gute Miene zum bösen Spiel. Er wandte sich
den Geschworenen zu und sagte, direkt an sie gerichtet: »Er sagte: ›Dem habe ich ordentlich die Fresse poliert.‹ Und darauf ich: ›Aber, Evan, er ist tot.‹ Und darauf er: ›Allerdings, verdammte Scheiße nochmal.‹«
Mills riskierte einen Blick zu Washburn hinüber und wusste sehr wohl, dass sie riskierte, sich den Unmut des Richters zuzuziehen, als sie nickte und die Wörter ebenso sehr an ihren Gegenspieler richtete wie an die Geschworenen. »›Allerdings, verdammte Scheiße nochmal.‹ Danke, Lieutenant. Keine weiteren Fragen. Ihr Zeuge, Mister Washburn.«
Munter wie ein junger Hüpfer hopste Washburn fast an seinen Platz, um mit dem Kreuzverhör zu beginnen. »Lieutenant Lochland, was tat Patrolman Scholler als Nächstes, nachdem er auf diese Weise auf die Nachricht von Ron Nolans Tod reagiert hatte?« Dass er sich bei diesem Zeugen auf Evan Scholler mit dessen Dienstgrad bezog, war selbstverständlich Absicht.
»Er sank in sich zusammen und saß kurz da, bevor er sich hinlegte.«
»Auf den Boden?«
»Ja.«
»Widersetzte er sich seiner Festnahme?«
»Nein, Sir. Seine Augen waren geschlossen. Ich wälzte ihn auf die Seite und legte ihm Handschellen an, aber er wurde trotzdem nicht wach.«
»Er war also eingeschlafen?«
»Ja, wahrscheinlich schlief er, aber
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