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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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darauf gab, dass der Betreffende von Dingen dazu getrieben worden war, die sich seiner Kontrolle entzogen.
    Die zweite Möglichkeit, einen Prozess zu gewinnen, war nach Washburns Erfahrung nicht nur wesentlich schwieriger, sondern auch wesentlich ineffektiver; hierbei handelte es sich um eine reaktive Verteidigung, die jedes Faktum und jede von der Anklage aufgestellte Behauptung anfocht. Selbstverständlich taten das gute Strafverteidiger ganz automatisch auch dann, wenn sie eine überzeugende affirmative Verteidigungsstrategie hatten, aber eine sorgfältig konstruierte Anklage auszuhebeln war nicht einfach. In den meisten Fällen lag das natürlich daran, dass der Angeklagte schuldig war. Aber dazu kam auch, dass die meisten Geschworenen eine hohe Hemmschwelle hatten, den Aussagen staatlicher Organe keinen Glauben zu schenken und die beeideten Aussagen von Autoritätspersonen wie Ärzten, Kriminaltechnikern und Polizisten anzuzweifeln.
    Als ihm Tollson die PTBS wegnahm, stand für Washburn fest, dass ihm nur noch eine reaktive Verteidigungsstrategie bliebe, und das war der Grund seiner erheblichen Bedenken. Und so sah er sich jetzt am ersten Tag mit seiner zweiten Zeugin konfrontiert - normalerweise hätte er sie ohne Kreuzverhör aus dem Zeugenstand entlassen, weil sie nichts beizusteuern hatte, was der Verteidigung nützte -, aber er stand
trotzdem auf, um sie zu befragen. Inzwischen klammerte er sich an jeden Strohhalm, nur um den Schein aufrechtzuerhalten, dass er eine begeisterte, ja sogar leidenschaftliche Verteidigung vortrug.
    »Sergeant Delahassau«, begann er, »Sie haben ausgesagt, dass Sie Mister Nolans Haus nach Fingerabdrücken, Blutspuren, Haaren und Fasern durchsucht haben, richtig? Standardvorgehen, wie Sie es, glaube ich, bezeichnet haben.«
    »Ja, das ist richtig.«
    »Und Sie stellten Übereinstimmungen mit Mister Schollers Blut und seinen Fingerabdrücken her?«
    »Ja.«
    »Und mit seinen Haaren?«
    Im Zuschauerbereich wurde, schien es Washburn, ein kollektives Glucksen laut.
    »Ja, wir haben auch Proben seines Haars gefunden.«
    »Haben Sie auch noch Haar von anderen Personen als Mister Nolan und Mister Scholler gefunden?«
    »Ja, wir haben Haar von mindestens drei anderen Personen gefunden.«
    »Können Sie feststellen, ob diese Haare von Männern oder Frauen stammten?«
    »Unter bestimmten Umständen lässt sich das mittels einer DNS-Analyse feststellen. Aber man braucht dazu ein Follikel.«
    »Hat Ihres Wissens jemand DNS-Untersuchungen an diesen Haarproben vorgenommen?«
    Zum ersten Mal verdüsterte sich Delahassaus Miene. Sie warf kurz einen besorgten Blick zu Mills hinüber, dann wandte sie sich wieder Washburn zu. »Äh, nein, Sir.«
    »Warum nicht?«

    Wieder ein Zögern. »Also. Wir hatten keine anderen Verdächtigen, mit deren Haaren wir die Proben hätten vergleichen können.«
    »Aber diese Haarproben sind ein eindeutiger Hinweis darauf, dass noch andere Personen in Mister Nolans Haus gewesen sind, ist das richtig?«
    »Sicher, ja, aber sie könnten mehrere Jahre alt gewesen sein oder …«
    »Tatsache ist auf jeden Fall, Sergeant, dass Sie nicht wissen, ob die drei weiteren im Haus des Opfers gefundenen Haarproben von Männern oder Frauen stammten, richtig?«
    »Ja.«
    Unsicher, was, wenn überhaupt etwas, er gerade bewiesen hatte, beschloss Washburn, diesen kleinen Sieg jetzt zu verbuchen und zu seinem nächsten geringfügigen Punkt überzugehen. »Sergeant«, fuhr er fort, »haben Sie das Geschoss gefunden, mit der Mister Nolan erschossen wurde?«
    Mit einem erleichterten Seufzer, dass der andere Fragenkomplex damit abgehakt war, legte Delahassau wieder ihr gewohntes Selbstvertrauen an den Tag. »Ja. Sie steckte direkt unter der Austrittswunde im Kopf des Opfers im Fußboden.«
    »Demnach wurde er erschossen, als er bereits auf dem Boden lag?«
    »So schien es, ja.«
    »Haben Sie an der Beretta eine ballistische Untersuchung vorgenommen?«
    »Nein. Dafür war das Projektil zu stark deformiert.«
    In scheinbar aufrichtiger Verwunderung hob Washburn die Hand an den Mund und fragte übertrieben langsam: »Soll das heißen, Sergeant, Sie können nicht mit absoluter Gewissheit
sagen, dass das Geschoss, das Mister Nolan getötet hat, aus der Waffe kam, auf der sich die Fingerabdrücke meines Mandanten befanden?«
    »Das ist richtig, Sir, aber …«
    »Danke, Sergeant. Das war alles.«
    Die Worte waren kaum über seine Lippen, als Mills bereits aufsprang. »Nachträgliche Befragung,

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