Schattenkampf
schlechtes Wort über Evan Schollers Charakter verlieren. Schlimmstenfalls wird er sagen, er war durcheinander und litt noch unter den Nachwirkungen der Verwundung, die er im Irak davongetragen hatte. Und das wird dem Angeklagten, wenn überhaupt etwas, die Sympathien der Geschworenen eintragen. Noch dazu ist das alles Bestandteil von Mister Washburns Beweisführung. Wieso soll es dann bei seinen Zeugen herein- und bei meinen herausgenommen werden.«
»Wenn das alles so positiv für den Angeklagten wäre«, sagte Tollson, »kann ich mir schwer vorstellen, dass Mister Washburn dagegen Einspruch erhoben hätte. Und warum wollen Sie es dann hereinnehmen?« Als Mills in den nächsten zehn Sekunden keine Antwort auf diese Frage einfiel, erklärte Tollson: »Dann lassen Sie uns doch einfach weitermachen, ja? Einverstanden?«
Washburn neigte den Kopf. »Danke, Euer Ehren.«
Zurück an der Anklagebank, zog er seinen Notizblock zu sich heran und zeichnete einen Smiley darauf, den er unter der Hand seinem Mandanten zeigte. Währenddessen war Mills dabei, bei ihrem Zeugen den Faden wieder aufzugreifen.
»Lieutenant, es waren doch Sie, der den Angeklagten verhaftet hat, ist das richtig?«
»Ja, das war ich.«
»Können Sie das den Geschworenen etwas genauer schildern?«
»Selbstverständlich.« Er wandte sich der Geschworenenbank zu und begann in lockerem Gesprächston. »Freundlicherweise rief mich Lieutenant Spinoza - das ist der Leiter des Morddezernats - an besagtem Samstag an, um mir zu sagen, dass er sich wegen Patrolman Scholler Sorgen machte. Er leitete die Ermittlungen im Mordfall Ron Nolan und erinnerte sich, dass Patrolman Scholler einige Tage zuvor den Namen des Ermordeten im Computer der Dienststelle aufgerufen hatte. Spinoza wollte wissen, ob ich etwas von ihm gehört hätte, was ich verneinte. Patrolman Scholler war Donnerstag und Freitag nicht zum Dienst erschienen, weshalb ich mir auch selbst schon Sorgen zu machen begonnen hatte, als Spinoza mich anrief.
Ich hielt es für das Beste, in seiner Wohnung nach ihm zu sehen, und fuhr deshalb dorthin - er wohnte in einem der Wohnblocks an der Edgewood Road. Weil alle Rollläden runtergelassen waren, konnte ich nicht nach drinnen schauen. Ich klopfte und rief seinen Namen, und niemand antwortete, aber ich hörte, dass sich in der Wohnung etwas bewegte, so, als wäre etwas - ein Gegenstand - umgefallen.
An diesem Punkt gelangte ich mehr und mehr zu der Überzeugung, dass etwas nicht stimmte. Ich holte mein Handy heraus und wählte seine Nummer, worauf das Telefon in seiner Wohnung zu läuten begann, und ich fing an, an die Tür zu hämmern und seinen Namen zu rufen.«
Washburn hätte gegen diese Schilderung Einspruch erheben
können, wusste aber bereits, dass er damit keinen Erfolg hätte, und gab sich damit zufrieden, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
»Endlich hörte ich aus der Wohnung: ›Ja, Augenblick‹, und wenige Sekunden später öffnete Patrolman Scholler die Tür, einfach so. Ich sah, dass er ziemlich übel zugerichtet war, und fragte ihn, was passiert wäre. Aber er schien die Frage nicht zu verstehen. Darauf fragte ich ihn, ob er etwas von einem gewissen Ron Nolan wüsste und dass er umgebracht worden war.« Lochland hielt in seinen Ausführungen inne, setzte sich zurück, verschränkte die Finger in seinem Schoß.
Aber Mills hätte ihn nicht in den Zeugenstand gerufen, wenn er nicht etwas gehabt hätte, was sie brauchte. Deshalb fragte sie: »Und hat er darauf in irgendeiner Form reagiert, Lieutenant?«
»Ja, Ma’am. Er fing fürchterlich zu schimpfen an.«
»Er schimpfte? Was genau hat er gesagt, Lieutenant?«
Washburn, der die Antwort auf diese Frage kannte, kam halb aus seinem Stuhl hoch, um Einspruch zu erheben, und bat, sehr zu Mills’ und Tollsons Missfallen, um eine weitere Unterredung an der Richterbank.
Als beide Anwälte wieder vor dem Richter standen, legte Mills sofort los. »Euer Ehren, dieser Einspruch trägt geradezu unanständige Züge. Mister Washburn weiß, was der Angeklagte von sich gegeben hat, als er von Mister Nolans Tod erfuhr, und das ist etwas, was die Geschworenen zu hören bekommen müssen.«
Washburn konterte. »Es besteht kein Grund, den Geschworenen eine solche Ausdrucksweise zuzumuten, Euer Ehren. Die Verteidigung wird sich ausbedingen, dass sich Evan Scholler einer Ausdrucksweise bedient hat, die manche anstößig
finden könnten, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass ihn dieses
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