Schattenkampf
gekommen waren, miteinander zu sprechen.
Nachdem er sich jetzt vergewissert hatte, dass alles von seinem Schreibtisch war, war Glitsky so weit, nach Hause zu fahren. Er verließ sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Er durchquerte den leeren Computerraum und betrat den Bereitschaftsraum und sah, dass acht der insgesamt vierzehn Schreibtische besetzt waren. Das war ungewöhnlich, denn meistens waren die Homicide Inspectors unterwegs, um Zeugen zu vernehmen, Tatorte zu untersuchen, Beweise zu sammeln und in Zusammenarbeit mit Assistant DAs Festnahmedetails und/oder Anklagepunkte zu klären.
Darrel Bracco blickte auf und hob zum Gruß die Hand - wenigstens ein Mitglied seiner Abteilung schien mit dem neuen Status quo einverstanden. Als sich die Schwingungen von Glitskys Anwesenheit im Raum ausbreiteten, schauten auch andere Inspectors auf. Glitsky fing das eine oder andere Nicken alter Hasen auf, die sich sofort wieder ihren Unterhaltungen und ihrem Kaffee zuwandten, von ein paar anderen wurde er ignoriert.
So verhielt es sich, seit er hierher zurückgekommen war. In Missdeutung seiner Rückversetzung zum Morddezernat fragten sich seine Leute, ob er in Wirklichkeit eine Art Spion war, der ihnen von der Polizeiführung aufs Auge gedrückt worden war, um nach dem Rechten zu sehen und ihnen das Leben schwerzumachen.
Glitsky hoffte, dass dies lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Umstellung auf seine Leute wäre und dass auch
das bald vorüberginge. Aber solange dies nicht eintrat, wäre das Leben nicht leicht für ihn. Er steuerte auf Braccos Schreibtisch zu und erklärte betont neutral. »Ich mache Schluss für heute, Darrel. Gibt es irgendwas, was ich wissen sollte, bevor ich gehe?«
Bracco überlegte eine Weile, dann schüttelte er den Kopf. »Nichts Neues, Lieutenant. Nicht viel los in der Prärie.«
»Na schön.« Glitsky schaute sich rasch im Raum um. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, als kontrollierte er irgendjemanden. Er kontrollierte ja auch niemanden, aber das hieß nicht, dass die Leute es nicht vermuteten. »Bis morgen, Darrel.«
»Ja, Sir«, sagte Bracco. »Schönen Abend noch.« Glitsky hatte sich gerade zwei Schritte von ihm entfernt, als Bracco nachlegte: »Augenblick noch, Abe. Da fällt mir gerade ein. Es gibt etwas, was Sie vielleicht wieder an Ihre Pinnwand zurückhängen könnten.« Damit meinte er die Tafel mit den aktuellen Mordfällen in Glitskys Büro. Wenn ein Name von dieser Tafel entfernt wurde, kehrte er normalerweise nicht mehr dorthin zurück, entweder weil ein Verdächtiger in dem Fall festgenommen worden war oder weil eine Spur zu kalt geworden war, um noch länger die Zeit der Inspectors damit zu vergeuden, oder weil der einzige Augenzeuge an Bleivergiftung gestorben war oder weil irgendein anderer der unzähligen Gründe eingetreten war, weshalb ein Fall nicht mehr aktiv bearbeitet wurde.
»Zurück an die Pinnwand?«
»Ja. Einer meiner alten Fälle. Bowen. Aber er wurde schon vor Ihrer Zeit für abgeschlossen erklärt. Aber das hat alles Zeit bis morgen. Ich mache mir nur noch schnell eine Notiz, damit ich es nicht vergesse.«
»Dann gehe ich mal lieber selbst kurz zurück und schreibe es auf.«
Bracco nickte verlegen und stand auf. »Das ginge natürlich auch. Ich wollte Sie nur nicht aufhalten, wenn Sie am Gehen sind.«
»So lang kann das ja kaum dauern«, sagte Glitsky. »B-O-W-E-N, richtig? Fünf Buchstaben. Dürfte kaum länger als eine Minute dauern.« Er war bereits an seiner Tür zurück und drehte den Schlüssel im Schloss. »Und worum geht es in dem Fall?«
»Hanna Bowen. Schließlich als Selbstmord durch Erhängen deklariert.«
Glitsky drehte sich um und sah seinen Inspector an. »Wie bitte? Hat sie sich wieder losgeknüpft?«
»Es ist eher so, dass ich der Tochter versprochen habe, mich der Sache nochmal anzunehmen. Es scheint ihr irgendwie immer noch nicht in den Kopf zu wollen. Dass ihre Mutter sich umgebracht hat, meine ich.«
»Na schön. Aber die Rechtsmedizin hat es als Selbstmord eingestuft? Und der Tochter wollen Sie jetzt wie helfen?«
»Ich weiß, es ist ziemlich weit hergeholt, Abe, aber das Mädchen ist immer noch nicht darüber hinweggekommen. Sie wissen doch, diese ganzen Fortbildungen, in denen wir eingeschärft kriegen, Verständnis für den Schmerz der Opfer zu haben und so. Da dachte ich, was kann es schon schaden, und ihr hilft es vielleicht.«
»Aber was genau?«
»Na ja, die Mutter hat anscheinend Tagebuch geführt.
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