Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
Vom Netzwerk:
Seattle, Mailand, Washington DC und - nicht ganz so weit entfernt - San Jose eine eigene Diaspora gegründet. Die neue Familieneinheit mit den zwei Kleinkindern wohnte immer noch in derselben alten Wohnung im Obergeschoss eines Hauses in der Lake Street.
    Als Glitsky von der Arbeit nach Hause kam - er fuhr in seinem eigenen Auto, statt sich in seinem Dienstwagen von seinem Fahrer chauffieren zu lassen -, schoben er und Treya und die fünfjährige Rachel Zachs Kinderwagen fast zwei Kilometer auf dem Rad- und Fußgängerweg am Rand des Walds von Presidio spazieren. Anschließend schaukelten beide Kinder - der Abend war noch warm - auf der neuen Schaukel, die Glitsky und Dismas Hardy und Hardys Sohn Vincent vor drei Jahren gebaut hatten. Zum Abendessen gab es gebratenes Hähnchen aus dem Laden, ohne Haut, mit frisch gedämpftem Spinat und Nudeln für die Kinder - seit Glitsky vor sechs Jahren einen Herzinfarkt gehabt hatte, ließ ihn Treya nichts Cholesterinhaltiges mehr essen.
    Um acht Uhr schliefen beide Kinder in ihren Zimmern. Abe und Treya saßen bei gedämpfter Beleuchtung auf dem Zweiersofa im kleinen Wohnzimmer und tranken Tee. Sie hatten das Zimmer bei Rachels Geburt umgestaltet, und was einmal ein abgenutztes und dunkles Interieur gewesen war, erstrahlte jetzt in hellem Parkett mit bunten Teppichen, ockerfarbenen Wänden, Möbeln im Mission Style und Plantagenfensterläden.
    Schweigsam bis an den Rand von Stummheit, war Glitsky zufrieden, Treya das Reden zu überlassen, als sie ihm von ihrem
Tagesablauf erzählte, von den Machenschaften in der Staatsanwaltschaft und von Clarence Jackmans Umgang mit dem Board of Supervisors, der Bürgermeisterin und dem Polizeichef. Das hatte unerschöpflichen Unterhaltungswert, weil beide alle Beteiligten kannten und weil die Stadt in vieler Hinsicht so ein verrückter und faszinierender Ort zum Leben war.
    Der Knüller dieses Tages war ein Drahtseilakt von Treyas Chef zwischen Bürgermeisterin Kathy Wests Erlass, der San Francisco zu einem Schutzraum für illegale Einwanderer erklärte, und dem Konter des US Attorney, der sämtliche Bundesgelder für das Rechtssystem der Stadt zu kappen drohte, sollte sie das Justizministerium bei der Festnahme und Deportation dieser Leute in irgendeiner Weise behindern.
    »Das würde ich gern sehen«, bemerkte Glitsky. »Was will er denn machen, Kathy verhaften?«
    »Wenn sie tatsächlich mehr tut, als bloß große Reden zu schwingen.«
    »Glaubst du denn, das wird sie?«
    »Keine Ahnung. Sie redet jedenfalls davon.« Treyas Lachen war ein tiefer Alt. »Redet davon, nicht bloß davon zu reden.«
    »Sehr kühn.«
    »Trés. Aber man kann nie wissen. Am Ende tut sie tatsächlich was.«
    »Und was wird Clarence dann machen?«
    Treya lachte wieder. Manchmal glaubte Glitsky, ihre Gabe zu lachen war das, was ihn am stärksten an ihr anzog. Nach dem Tod seiner ersten Frau Flo hatte er lange geglaubt, er würde nie wieder lachen. »Clarence«, sagte Treya, »hat acht mit Bundesgeldern finanzierte Anwaltsstellen, aber der Rest des Budgets kommt von der Stadt. Er wird abwarten.«

    »Darauf versteht er sich ja auch bestens«, sagte Glitsky.
    »Das kannst du laut sagen.« Sie legte ihm die Hand aufs Bein. »Aber ich rede die ganze Zeit nur von mir. Immer nur ich, ich, ich. Dabei wirkst du - aber fall jetzt bitte nicht gleich in Ohnmacht - eindeutig etwas aufgekratzter als sonst.«
    Glitsky zuckte mit den Schultern. »Ich gewöhne mich einfach an die neue Weltordnung. Ich hatte heute sogar ein Gespräch mit Darrel Bracco, das sich möglicherweise als produktiv erweisen könnte.«
    »Ich finde Darrel okay. Und möglicherweise produktiv? Wow. Du redest ja wie ein Wasserfall.«
    Mit einem Seitenblick auf seine Frau nahm Glitsky einen Schluck Tee. »Hat ihm wahrscheinlich ein paar Stunden Arbeit erspart, mehr nicht.«
    »Okay, der Wasserfall ist anscheinend schon wieder versiegt.« Sie drückte sein Bein. »Und als Nächstes wolltest du mir wahrscheinlich erzählen, worüber Darrel mit dir gesprochen hat. Natürlich nur, falls du vorhast, ein bisschen weiterzureden. Nicht, dass du das musst. Ich will dich nicht unter Druck setzen.«
    Dieses Mal brach sein Grinsen durch. »Er wollte jede Menge Zeit darauf verwenden, die Akten dieses Anwalts durchzusehen, der letzten Sommer spurlos verschwunden ist, und das alles nur, weil seine arme untröstliche Tochter glaubt, dass er sich vielleicht doch nicht aus dem Staub gemacht und sie und ihre Mutter allein

Weitere Kostenlose Bücher