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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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zugelassen? Wie soll so etwas irrelevant und unzulässig sein?«
    »Das frage ich mich allerdings auch.«
    Beide waren natürlich auch mit der notorisch liberalen Grundeinstellung des Ninth Circuit Court of Appeal vertraut, der zahlreiche Entscheidungen getroffen hatte, aufgrund deren in Mordprozessen Dinge wie zum Beispiel Kindesmissbrauch, zerrüttete Familienverhältnisse oder Gewalt im Fernsehen als mildernde Umstände zugelassen wurden. Wenn dieses Berufungsgericht bei der Nichtzulassung von
PTBS nicht sofort hellhörig würde, wollte Hardy seine Anwaltsurkunde fressen.
    »Tja.« Hardy hob die Hände. »Muss ich dazu noch mehr sagen?«
    »Meinetwegen sicher nicht«, antwortete Washburn. »Ich halte die PTBS-Strategie für die aussichtsreichste, auch wenn dabei vielleicht reines Eigeninteresse aus mir spricht. Ich bin wegen der Entscheidungen, die ich in diesem Verfahren getroffen habe, unzählige Male mit mir zu Gericht gegangen. Würde ich einen Berufungsantrag stellen, würde ich es mit inkompetenter Verteidigung versuchen.«
    »Was hätten Sie anders machen sollen?«
    »Na ja, in erster Linie Evan nachdrücklicher ans Herz legen, sich auf einen Deal einzulassen.« Washburns Blick fokussierte sich auf einen Punkt irgendwo zwischen ihnen. »Mich vielleicht auch intensiver mit den Khalil-Morden befassen, obwohl, wer weiß, was dabei herausgekommen wäre - ich habe fünfzigtausend für meinen Schnüffler ausgegeben, ohne dass der Kerl auch nur annähernd etwas Brauchbares geliefert hätte. Und dann - das schlug dem Fass den Boden aus - wir waren bereits mitten in der Aussage meines medizinischen Hauptgutachters, als mir aufging, dass seine Aussage, wenn überhaupt jemandem, der Anklage nützte. Aber das Wichtigste wäre, wie gesagt, ein Deal gewesen.«
    »Aber darauf wollte er sich nicht einlassen.«
    »Da war er eisern. Er konnte sich nicht erinnern, es getan zu haben, und wollte auch nicht sagen, dass er es könnte. Punkt.«
    Hardy schüttelte den Kopf. »Ganz schön dumm.«
    Washburn zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Vielleicht glaubt er, dass er es wahrscheinlich wirklich nicht getan hat.«

    »Was glauben Sie?«
    Der alte Herr wischte die Frage beiseite. »Darauf lasse ich mich nie ein.«
    Um Leichtigkeit bemüht, setzte Hardy ein verhaltenes Grinsen auf. »Nicht mal zum Spaß?«
    »Nein, niemals. Nie.«
    »Ich finde es schade, wenn jemand nicht mit seiner Meinung herausrückt.«
    »Ich auch. Finde ich auch schrecklich.« Washburn rutschte auf dem Sofa wieder ganz nach hinten. »Der arme Teufel. Haben Sie ihn schon kennengelernt?«
    Hardy nickte. »Ich bin letzte Woche zu ihm hochgefahren.« Eine kurze Pause. »Jede Wette: Mittlerweile würde er sich auf den Deal einlassen.«
    »Ja, kann ich mir gut vorstellen.« Washburn hatte Hardy bereits zirka zwanzig Minuten seiner Zeit gewährt, die, sagen wir mal, zweihundert Dollar die Stunde wert war, obwohl er ihm für diesen Besuch nichts berechnete. Trotzdem, Zeit war Geld, und wenn schon zwischen den beiden Männern nichts zu verdienen war, würde Washburn auch an niemand anderem etwas verdienen, solange Hardy nicht ging. »Also. Wie kann ich Ihnen sonst noch helfen?«
    »Ich hatte gehofft, Sie ein wenig ausquetschen zu können.«
    »Was genau heißt ›ein wenig‹?«
    »An die sechs, acht Stunden im Lauf des nächsten Monats.«
    Washburn kam wieder nach vorn. »Mein Vorzugshonorar beträgt zweihundert die Stunde.«
    »Nichts daran auszusetzen«, sagte Hardy. »Ich weiß nicht, wie viel Zeit Sie im Moment haben, und ich möchte mich nicht aufdrängen …«

    Washburn hob eine Hand und schaute zu der Standuhr, die an der Stelle, wo die Bücherregale auf die Fenster stießen, Wache hielt. Es war Viertel vor vier. »Ich habe bis fünf Zeit«, sagte er. »Tun Sie sich keinen Zwang an. Fangen Sie an zu quetschen.«

    Einen Monat nach Antritt seiner neuen alten Stelle, seiner zweiten Runde als Leiter des Morddezernats San Francisco, ging Lieutenant Abe Glitsky den Flur im vierten Stock hinunter und bog in das kleine, noch einmal durch eine Theke geteilte Zimmer, das als Empfang diente. Es war siebzehn Uhr zwanzig, und beide Angestellte, die hier ihren Arbeitsplatz hatten, waren schon weg, wahrscheinlich nach Hause gefahren. Nachdem er anfänglich nicht gerade begeistert gewesen war, begann sich Glitsky an die Vorstellung von Angestellten zu gewöhnen, die einfach ihre Stunden runterrissen und dann Feierabend machten. Während seiner Zeit als Deputy Chief

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