Schattenkampf
of Inspectors hatte er es immer eigenartig gefunden, dass sogar die Verwaltungsjobs so personenbezogen waren - man kam früh zum Dienst und blieb, bis der Chef nach Hause fuhr, denn wenn man es nicht so machte, zog er sich vielleicht jemand anders heran, und dann stieg man nicht mit ihm auf, wenn er - oder natürlich auch sie - befördert wurde.
Mit ein paar weiteren Schritten war er in seinem Büro - ein kleines Zimmer, vollgestellt mit Aktenschränken und einem großen flachen Schreibtisch, und dazu Fenster, die so hoch in die Wand gesetzt waren, dass sie zwar etwas Tageslicht hereinließen, aber keinen Blick auf die Bryant Street hinab gestatteten. Glitsky ging hinter den Schreibtisch und warf einen Blick auf die Pinnwand mit den aktuellen Mordfällen - an diesem Tag waren es neun, Durchschnitt, Straftaten,
die im Lauf des letzten Monats begangen worden waren und an denen seine Detectives noch arbeiteten. Er setzte sich in seinen Schreibtischsessel, ließ sich zurücksinken und fragte sich wieder einmal, ob der Antrag auf Versetzung auf diesen Posten, der einer freiwilligen Degradierung gleichkam, ein Fehler gewesen war.
Er hatte diese Stelle inzwischen über einen Monat, und abgesehen von einigen Personalproblemen, die ihn weiterhin belasteten, stellte er zu seiner nicht geringen Überraschung fest, er vermisste sein großes repräsentatives Büro mit den Bücherregalen, Plaketten und Bildern, mit den Ledersesseln für wichtige Besucher und mit dem Vorzimmer, das Leute, die gerade vorbeikamen, davon abhielt, eben mal kurz hereinzuschauen und Hallo zu sagen. Das Büro des Deputy Chief war das eines wichtigen Mannes, und solange es Glitsky zur Verfügung gestanden hatte, hatte er eigentlich immer das Gefühl gehabt, nicht dorthin zu gehören. Als Leiter des Morddezernats hatte er jetzt einen, wie er glaubte, ebenfalls wichtigen Posten, der aber nach außen hin keine Anerkennung fand. Konnte es sein, fragte er sich immer wieder, dass er sich daran gewöhnt hatte, im Scheinwerferlicht zu stehen, mit seiner Meinung ernst genommen zu werden, in wichtigen kommunalpolitischen Fragen vom Polizeichef und sogar vom Bürgermeister um Rat gefragt zu werden?
Er versuchte sich immer wieder einzureden, dass er sich in einer Phase der Anpassung an seine neue Umgebung befand, mehr nicht. Solche Umstellungen waren nie einfach. Aber zwei-, dreimal war ihm auch schon der Gedanke gekommen, er könnte in seiner jüngsten Geschichte wenig Karriere förderlicher Entscheidungen einen weiteren Fehler gemacht haben.
Und es ließ sich nicht leugnen. Diese neuen Räumlichkeiten waren anders, und sie machten auch den ganzen, einst so vertrauten Job anders für ihn. Zuallererst war sein neues Büro räumlich vom Bereitschaftsraum der Inspectors getrennt. Als das Morddezernat noch im dritten Stock untergebracht gewesen war, konnte man durch die Innenfenster im Büro des Lieutenant in den Raum mit den Schreibtischen der Truppe sehen. Hier dagegen hätte er, selbst wenn sein neues Büro Innenfenster gehabt hätte, was nicht der Fall war, seine Inspectors nicht sehen können, weil der Computerraum dazwischen lag. Seine Leute konnten kommen und gehen, ohne an seiner Tür vorbei zu müssen, und es konnte passieren, dass Glitsky nicht mitbekam, ob sie da gewesen waren oder nicht.
Zu den positiven Veränderungen gehörte, dass Glitskys eigene Arbeitszeiten, Notfälle ausgenommen, überschaubar geworden waren. Als Deputy Chief hatte er es als seine Pflicht betrachtet, in Sachen Zuverlässigkeit, Disziplin und Engagement mit gutem Beispiel voranzugehen, und war deshalb ganz bewusst regelmäßig um sieben Uhr dreißig zum Dienst erschienen. Am anderen Ende des Tages hielten ihn interne Besprechungen, Pressekonferenzen und öffentliche Auftritte bis einundzwanzig Uhr und manchmal sogar noch länger fest. Auch die Wochenenden gehörten ihm selten selbst. Deputy Chief war kein Job; es war ein Leben.
Und jetzt stand Glitsky - das war die eigentliche Crux - an einem Wendepunkt, an dem er sein Leben mit seiner Frau Treya und ihren Kindern Rachel und Zachary verbringen wollte. Die letzten paar Jahre seit Zachs Geburt waren ziemlich stressig gewesen. Treya arbeitete als Sekretärin für San Franciscos Bezirksstaatsanwalt Clarence Jackman. Sie war
Punkt neun Uhr an ihrem Schreibtisch und machte um fünf Feierabend. Es hatte während Glitskys Zeit als Deputy Chief Wochen gegeben, in denen sie praktisch nur in diesem Gebäude, in der Hall of Justice, dazu
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