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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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gib Gas. Los!«

    Schweigend fuhr Tara etwa fünf Straßen weiter, bevor sie am Straßenrand anhielt. »Jetzt kann ich, glaube ich, nicht mehr fahren«, sagte sie.

    »Dann lass mich ans Steuer.«
    Zum ersten Mal, seit er eingestiegen war, sah sie zu ihm hinüber. »Bist du verletzt?«
    »Nein.«
    »Was war mit diesen drei Kerlen?«
    »Keine Ahnung. Sie haben sich ineinander verheddert, und das hat sie so lange aufgehalten, dass ich zum Auto laufen konnte.«
    Nach einer Weile sagte sie: »Sie hätten uns umbringen können, nicht?«
    »Na, ich weiß nicht. Ich glaube, sie wollten uns nur ausnehmen, mehr nicht. Sie hatten keine Pistolen. Wahrscheinlich hätten sie uns nur Geld und Wertsachen weggenommen, wenn wir sie gelassen hätten.«
    Sie saß reglos da, während sich das Schweigen im Innern des Autos immer mehr aufstaute. Schließlich ließ sie verstört den Atem entweichen, öffnete die Wagentür und stieg aus. Nolan machte das Gleiche auf seiner Seite, wartete, bis sie auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, und schloss die Tür hinter ihr. Dann setzte er sich ans Steuer, schnallte sich an und ordnete sich in den Verkehr ein.
    »Mein Gott«, sagte sie nach einer Weile. »Fehlt dir auch wirklich nichts? Ich kann immer noch nicht fassen, dass das gerade passiert ist. Es ging alles so schnell. Sie standen einfach plötzlich da.«
    »Ja. So ist das normalerweise.« Er schaute zu ihr hinüber. »Ich hätte nicht dort parken sollen. Ich hätte es besser wissen müssen. Das war gedankenlos. Entschuldige bitte.«
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es war nicht deine Schuld. Im Gegenteil, wenn du nicht da gewesen wärst …«
    Er schüttelte den Kopf. »Dann wärst auch du nicht da gewesen.
Du hättest das Auto wie jeder andere halbwegs vernünftige Mensch vom Valet wegbringen lassen.«
    »Trotzdem …« Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper. »Ich kann einfach nicht aufhören zu zittern.«
    »Das macht nichts«, sagte er. »Das ist nur das Adrenalin.« Er nahm die rechte Hand vom Lenkrad und hielt sie ihr hin. »Vielleicht hilft ja das. Hier, eine Hand, die du halten kannst.«
    Sie brauchte eine Weile, um zu einer Entscheidung zu kommen. Sie holte tief Luft und atmete aus, dann legte sie ihre Hand in seine und zog beide Hände über den Schalthebel hinweg in ihren Schoß, um sie mit ihrer anderen Hand zu umschließen. »Danke«, sagte sie. »Das hilft.«

    Diesmal kam es nicht zu einer Diskussion, ob er sie an die Tür begleiten sollte. Sie schloss auf und machte das Licht an, und als sie sich zu ihm umdrehte, spiegelte ihr Gesicht ihren inneren Aufruhr. Mit einem schwachen, irgendwie entschuldigenden Lächeln hob sie die Hand, um sie jedoch gleich wieder sinken zu lassen. »Ich wollte schon sagen: Danke für den netten Abend, aber …« Sie sah ihm in die Augen. »Ich bin im Moment etwas durcheinander. Ist das okay?«
    »Klar, kein Problem«, sagte Nolan.
    »Ich werde Evans Briefe lesen.«
    »Das solltest du unbedingt.«
    »Ich möchte nicht, dass du mich für undankbar hältst.«
    »Wieso sollte ich das?«
    »Na ja, weil du mir das Leben gerettet hast und alles. Weil du ein Krieger warst.«
    Das entlockte ihm die Spur eines Lächelns. »Ich habe mich schon gefragt, ob dir das bewusstgeworden ist. Aber du bist mir nichts schuldig, Tara, und dafür schon gar nicht.« Er tätschelte
mit dem Zeigefinger behutsam ihr Kinn. »Mach dir meinetwegen keine Sorgen. Ich komme schon klar. Aber du hattest gerade ein traumatisches Erlebnis, das du verarbeiten musst. Es ist völlig okay. Du bist jetzt zu Hause. Gute Nacht.« Und damit beugte er sich vor, küsste sie rasch auf die Wange und zog sich wieder zurück. »Und jetzt mach die Tür zu«, sagte er. »Das ist ein Befehl.«

    Sie konnte nicht schlafen und nahm sich endlich die Briefe vor.
    Sie kamen aus Evans tiefstem Innern. In jedem von ihnen kam laut und deutlich der Evan durch, den sie in Erinnerung hatte - meistens ziemlich wortreich und respektlos, aber am Schluss rückte er immer mit dem heraus, was ihn wirklich beschäftigte. Sie fehlte ihm. Er liebte sie und wollte, dass sie es noch einmal miteinander versuchten, wenn er nach Hause kam.
    Wenn.
    Aber die Frage war nicht wenn, wusste sie. Die Frage war falls . Es gab keine Garantie, dass er lebendig oder mit heiler Haut zurückkam. Sie wurde den Gedanken nicht los, dass er vielleicht schon tot war, während sie das las. Auf keinen Fall wollte sie sich wieder auf ihn einlassen, um dann erleben zu müssen,

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