Schattenkampf

Jetzt müssen wir nur noch Tollson dazu bringen, sie zuzulassen. Wollen Sie Ihre Essiggurke nicht?«
    »Nein. Ich kann im Moment nichts bei mir behalten. Sie können sie gern haben.«
    Washburn hörte auf zu kauen. »Sind Sie denn aufgeregt?«
    »Ich und aufgeregt? Ich bin doch nur des mehrfachen Mordes angeklagt.«
    »Sie müssen bei Kräften bleiben.« Washburn griff nach der Essiggurke, biss davon ab. Nachdem er sie hinuntergeschluckt hatte, trank er von seiner Wasserflasche und räusperte sich. »Aber wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, was wir tun, wenn er sie nicht zulässt.«
    »Tollson, meinen Sie?«
    Ein Nicken. »Und die PTBS. Wenn wir sie im Prozess aufs Tapet bringen, haben wir die Geschworenen auf unserer Seite. Sie werden erfahren, was im Irak passiert ist, was Sie durchgemacht haben … dann stehen die Chancen gut, dass sie keinen Schuldspruch fällen werden. Andererseits hatte ich heute Morgen gehofft, Ted würde die PTBS ohne Vorverhandlung zulassen, was er aber leider nicht getan hat. Und das heißt, er macht sich deswegen Gedanken; vielleicht denkt er sogar, das ist alles nur fauler Zauber.«

    »Wieso sollte er das denken? Er hat selbst im Krieg einen Fuß verloren.«
    »Schon. Aber vergessen Sie nicht, egal, was er sonst noch erlebt hat, er hat keine PTBS davon gekriegt. Und das könnte bedeuten, dass das Ganze für ihn nur ein Haufen Hokuspokus irgendwelcher schlappschwänziger Memmen ist. Oder von Winkeladvokaten wie mir.«
    »Soll mich das aufheitern?«
    Washburn zuckte mit den Schultern und nahm einen weiteren riesigen Bissen von seinem Sandwich. »Ich gehe nur die verschiedenen Möglichkeiten durch. Aber machen Sie sich deswegen mal keine Sorgen. Die Hälfte der Welt steht auf unserer Seite.«
    »Sprich: die andere nicht.«
    »Wir brauchen aber nicht die Hälfte. Wir brauchen nur einen von zwölf. Machen Sie sich deswegen also mal keinen Kopf. Tatsache ist, Sie sind ein verwundeter Veteran, der das Opfer eines - inzwischen - extrem unpopulären Krieges ist. Je mehr wir den Krieg als den großen Bösewicht ins Spiel bringen, umso mehr wird Nolan zu einem Opfer dieses Kriegs selbst. Ohne Krieg wäre niemand ums Leben gekommen. Ihre Männer im Irak nicht, Nolan nicht und auch sonst niemand. Und außerdem haben wir unsere große Überraschung, wenn Sie Ihre Aussage machen. Das wird bestimmt einige Köpfe und Herzen umschwenken lassen, weil Sie ihnen eine Alternativtheorie vorstellen, die ihnen einiges zu denken geben wird. Aber das alles baut auf der PTBS auf, und ohne sie sähe die Sache eindeutig etwas anders aus.« Washburn nahm wieder einen Schluck Wasser und spülte damit seinen Mund. »Die Frage ist also, ob wir uns über einen Deal Gedanken machen sollen, falls sie Tollson nicht zulässt.«

    Evan schloss kurz die Augen, dann schüttelte er den Kopf. »Auf gar keinen Fall.«
    »Nicht so schnell. Bevor Sie …«
    »Hören Sie, Aaron. Mills’ letztes Angebot lautete vierzig Jahre bis lebenslänglich. Ich kann keine vierzig absitzen.«
    Washburn sah seinen Mandanten an. An diesem Punkt hatte er mit anderen Mandanten schon öfter gestanden, als ihm lieb war, aber einfach war die Sache nie. Tollsons Entscheidung, eine Vorverhandlung zur Relevanz der PTBS zuzulassen, war überraschend gewesen und möglicherweise verhängnisvoll. Washburn war wirklich überzeugt gewesen, seine im Richterzimmer vorgebrachten Argumente, so beiläufig er sie auch formuliert haben mochte, würden ausreichen, Tollson die PTBS-Beweise beim Prozess für zulässig erklären zu lassen.
    Doch jetzt sah es so aus, als wäre das möglicherweise nicht der Fall.
    Washburn gab jedoch nicht auf. Das lag nicht in seiner Natur. Trotzdem musste er Evan klarmachen, dass sie, wie es im Moment aussah, den Prozess unter Umständen verlieren könnten. »Ich bin sicher, ich könnte Doug Falbrock dazu bringen, die Waffe fallen zu lassen«, sagte er. Der Gebrauch einer Schusswaffe beim Begehen eines Mordes fügte in Kalifornien dem Strafmaß automatisch fünfundzwanzig Jahre hinzu. »Wir plädieren auf Mord zweiten Grades. Handeln sie auf, sagen wir mal, zwölf bis lebenslänglich runter.«
    Evan setzte sich mit verschränkten Armen zurück. »Waren nicht Sie es, der so schön gesagt hat: ›Alles mit ›bis lebenslänglich‹ hinten dran läuft auf lebenslänglich hinaus.‹?«
    »Das war nur so dahingesagt. Sie wären ein vorbildlicher Häftling, nach der Mindestzeit wieder draußen.«

    »Trotzdem«, sagte Evan, »zwölf