Schattenkampf
Staatsanwältin verpflichtet, diese Beweise der Verteidigung auszuhändigen, und zwar unabhängig davon, ob sie das FBI darüber in Kenntnis gesetzt hatte oder nicht.
Ein anderes Problem war natürlich, den Beweis zu erbringen, dass das FBI nicht nur Beweise zurückgehalten hatte, sondern dass diese zurückgehaltenen Beweise wahrscheinlich auch die Rechtskräftigkeit des Schuldspruchs gegen Evan Scholler infrage stellten.
Aber damit würde sich Hardy befassen, wenn es so weit war.
Vorerst bedeutete die Brady-Möglichkeit, dass er, wenn er ein, zwei FBI-Zeugen auftreiben konnte, die nicht in das Scholler-Protokoll aufgenommen worden waren, einen Vorführungsbefehl im Haftprüfungsverfahren mit Erklärungen einreichen und relativ kurzfristig dem Berufungsgerichtshof vorlegen konnte. Der Court of Appeal konnte das Ganze dann nach Redwood City zurückverweisen, wahrscheinlich sogar in Tollsons Gerichtssaal, wo - wenn es neue Beweise zu hören gab - alles Mögliche passieren konnte.
Washburn tippte auf Hardys Knie, um ihn aus seinen Träumereien zu reißen. »Trotzdem dürfte es nicht einfach werden, den Nachweis zu erbringen, dass das Beweismaterial entlastend ist. Im Grunde genommen werden Sie beweisen müssen, dass Nolan von jemand anderem als Evan Scholler umgebracht worden sein könnte. Was, wie ich Ihnen aus bitterer Erfahrung sagen kann, eine verdammt harte Nuss ist.« Er senkte die Stimme. »Es könnte sogar den Tatsachen widersprechen.«
»Aber vielleicht auch nicht«, sagte Hardy. »Das Gericht könnte sich schon mit dem Beweis zufriedengeben, dass jemand anderer einen Grund dazu hatte.«
Der alte Anwalt schüttelte den Kopf. »Das, fürchte ich, ist Wunschdenken.«
»Keineswegs. Falls es einen anderen plausiblen Verdächtigen gab, von dem die Geschworenen nichts zu hören bekamen …«
Washburn runzelte die Stirn. »Und das FBI, das schon beim letzten Mal alles zurückgehalten hat und immun gegen staatliche Eingriffe ist, wird es Ihnen jetzt aushändigen? Wie wollen Sie das anstellen?«
»Keine Ahnung«, sagte Hardy. »Das wird sich schon zeigen.«
33
Hardy nahm den Freeway 280 in die Stadt zurück, fuhr an der 19th Ave. auf der Pazifikseite der Stadt davon ab und betrat wenige Minuten nach Beginn der offiziellen Cocktail Hour das Little Shamrock, die Bar, die ihm zum Teil gehörte. Sein Schwager Moses McGuire, der inzwischen gut
ein Jahr seinen Entzug hinter sich hatte, stand am hinteren Ende des Tresens an den Zapfhähnen. In Hardys Augen sah er unglaublich proper aus, obwohl es möglicherweise nur daran lag, dass er fünfzehn Kilo abgenommen und sein Äußeres zusammen mit seinem Blutbild auf Vordermann gebracht hatte.
Ständig langhaarig und zerzaust, oft bärtig, hatte McGuire den Look eines Rockers oder Bergfex kultiviert, seit er zwanzig war - das hieß, seit fast vierzig Jahren. Verwaschene, häufig zerrissene Bluejeans und ein schäbiges T-Shirt schienen ebenso Teil seiner Persönlichkeit wie sein zu Recht berühmtes hitziges Naturell, seine beiläufige Geringschätzung von Konventionen und seine Vorliebe für veränderte Bewusstseinszustände.
Aber wie er jetzt am Ende des Tresens stand und sich mit einer hübschen jungen Frau die Zeit vertrieb, hätte er ein Banker Mitte vierzig sein können, der gerade seinen freien Tag hatte. Sein immer noch üppiges grau meliertes Haar war kurzgeschnitten und ordentlich gescheitelt, der Schnurrbart in dem ansonsten glatt rasierten Gesicht sauber gestutzt. Das blaue Hemd steckte in der Khakihose. Er hatte sich bei Kneipenschlägereien so oft die Nase gebrochen, dass Hardy glaubte, er würde immer ein wenig abgerissen aussehen, doch heute waren seine Augen klar und seine Haut fast völlig frei von den geplatzten Äderchen, die in den alkoholseligen Tagen, die den Großteil seines Lebens als Erwachsener ausgemacht hatten, fester Bestandteil seines Gesichts gewesen waren.
Als ehemaliger Barkeeper und Teilhaber hätte Hardy einfach hinter die Bar gehen und sich selbst bedienen können, aber ab und zu hatte er das schon getan und festgestellt, dass er sich davon nicht so ohne weiteres wieder losreißen konnte, und weil dieser Abend der erste seiner neu eingeführten Ausgeh-Abende
mit Frannie werden sollte, wollte er den Einstand auf keinen Fall verbocken. Deshalb setzte er sich auf einen Barhocker und nickte McGuire beiläufig zu, was ihm dessen sofortige Aufmerksamkeit eintrug.
»Was darf’s sein, Counselor?«
»Einen Hendrick’s auf Eis. Eine
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