Schattenkampf
essen gewesen, und Hanna Bowen hatte von nichts anderem als dem, wie sie es bezeichnete, Mord an ihrem Mann gesprochen.
»Hanna Bowen hat nicht zufällig erwähnt, wer ihn ihrer Meinung nach ermordet hat?«
»Sie glaubte, es hing mit etwas zusammen, woran er arbeitete, aber was das gewesen sein könnte, konnte sie nicht sagen. Offensichtlich hat er zu Hause nicht über seine Fälle gesprochen.«
»Wie kam sie dann darauf, das könnte der Grund für seine Ermordung gewesen sein?«
»Ein paar Tage vor seinem Verschwinden hatte er ihr erzählt, er glaube, etwas ganz Großem auf der Spur zu sein und dass er möglicherweise einmal wirklich etwas Gutes tun könnte.«
»Aber was das war, hat er nicht gesagt?«
»Er wollte es nicht verschreien, bevor er nichts Konkretes in der Hand hatte.«
»Aber warum hat sie das der Polizei nicht schon früher gesagt? Wenn ihr Mann an etwas richtig Großem dran war …«
»Weil sich niemand dafür interessiert hat, deshalb. Vergessen Sie nicht, es war kein Mord.«
»Klar«, sagte Hardy. »Aber dann würde mich doch interessieren: Wenn Hanna Bowen also herauszufinden versucht hat, woran ihr Mann arbeitete, wie genau hat sie das angestellt?«
»Das versuche ich gerade herauszufinden. Ich an ihrer Stelle wäre vermutlich zu Bowens Sekretärin gegangen. Oder vielleicht arbeitete er auch mit einem Privatdetektiv zusammen. Das Problem ist nur, dass das alles schon ziemlich lange zurückliegt. Bowen ist fast ein Jahr verschwunden. Wer erinnert sich da noch groß an was?«
»Die Sekretärin vielleicht schon.«
»Ja. Und wer war sie?«
»Das müsste in seinen Unterlagen stehen. Wir werden das nachsehen, wenn wir die Akten durchgehen. Und dann dürfte es nicht mehr allzu schwer sein, sie - oder ihn - aufzuspüren. Mit ein bisschen Glück ist sie immer noch in San Francisco, nur bei einer anderen Firma. Oder vielleicht - was die Sache deutlich vereinfachen würde - weiß es die Tochter.«
»Das wäre eine Möglichkeit. Ich werde sie fragen.« Bracco zögerte. »Darf ich Sie was fragen?«
»Selbstverständlich.«
»Als wir uns in Ihrer Kanzlei unterhalten haben, schienen Sie nicht sonderlich überzeugt, dass bei der Sache etwas herauskommen könnte. Und jetzt rufen Sie mich plötzlich an, bevor überhaupt mein Dienst beginnt. Ist denn etwas passiert, was ich wissen sollte?«
Hardy ließ sich einen Moment Zeit. »Eine berechtigte Frage. Die Antwort lautet Ja, obwohl das Ganze noch reichlich vage ist. Ich will in einem von Bowens Fällen, der nach seinem Verschwinden auf Eis gelegt wurde, einen Berufungsantrag stellen. Evan Scholler. Einige der Zeugen, mit denen ich gern sprechen würde, könnten ein Motiv gehabt haben, Bowen aus dem Weg zu räumen.«
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?«
»Es ist noch weit davon entfernt, erwiesen zu sein, aber ich bin dabei, der Sache nachzugehen. Ich habe am Wochenende mit Glitsky darüber gesprochen.«
»Was hat er dazu gesagt?«
»Was sagt Abe normalerweise?«
»Nicht viel.«
»Genau das hat er auch diesmal gesagt. Aber ich glaube, wenn Sie sich mit Hanna Bowens letzten Tagen befassen und dabei zum Beispiel eine weitere Bestätigung finden könnten, dass sie mit ebendiesen Leuten Kontakt aufzunehmen versucht hat …«
»Wie heißen sie?«
»Es ist eine Familie. Die Khalils.« Hardy buchstabierte den Namen. »Der Vater und die Mutter wurden vor etwa vier Jahren in Redwood City ermordet, und alle glaubten, Scholler, mein Mandant, wäre es gewesen. Aber inzwischen vielleicht nicht mehr.«
»Diese Khalils sollen ihre eigenen Eltern umgebracht haben?«
»Nein, aber sie könnten den Mann umgebracht haben, für dessen Ermordung Scholler einsitzt. Er hieß Ron Nolan. Übrigens, ich habe auch meinen Ermittler auf die Sache angesetzt. Deshalb würde ich sagen, wir nehmen langsam Fahrt
auf, aber es könnte auch alles wieder verpuffen und im Sand verlaufen.«
»Dann sollte ich wohl auch mal mit diesen Leuten reden. Mit diesen Khalils.«
»Tja.« Hardy versuchte, Zeit zu gewinnen. »Zuallererst müssen wir herausfinden, mit wem wir es eigentlich genau zu tun haben, und im Moment haben wir noch keine Ahnung. Es ist eine große Familie. Sie haben sich ja bereits eine Weile mit Hanna Bowens letzten Stunden befasst. Wenn Sie da auf etwas Konkretes stoßen, sind Sie mir um einiges voraus und haben etwas, worüber Sie mit diesen Leuten reden können. In der Zwischenzeit werde ich weiterwühlen - und Ihnen Bescheid sagen, wenn ich auf etwas
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