Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenkinder

Schattenkinder

Titel: Schattenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
Vom Netzwerk:
wegbleiben?«, fragte Luke, obwohl er die Antwort bereits kannte.
    Bei dieser Frage explodierte sein Vater. Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
    – 3 –
    Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
    »Dann? Du musst jetzt schon wegbleiben! Gott und die Welt wird hier hinten herummarschieren und sich umsehen. Wenn sie dich entdecken...« Er fuchtelte wild mit der Gabel herum. Luke war sich nicht sicher, was diese Geste zu bedeuten hatte, aber er wusste, dass es nichts Gutes war.
    Niemand hatte ihm je genau gesagt, was ihm drohen würde, wenn ihn jemand entdeckte. Der Tod? Der Tod war etwas, was den schwächsten Ferkelchen widerfuhr, die von ihren kräftigeren Geschwistern totgetreten wurden. Tot war die Fliege, die aufhörte zu summen, wenn sie von der Fliegenpatsche getroffen wurde. Es fiel ihm schwer, sich mit einer zerschmetterten Fliege oder einem in der Sonne steif gewordenen Ferkel in Verbindung zu bringen. Schon der Versuch verursachte ihm ein seltsames Gefühl im Bauch.
    »Ich finde es gemein, dass wir jetzt auch noch Lukes Arbeiten mitmachen müssen«, meckerte sein Bruder Mark. »Kann er nicht ab und zu nach draußen? Wenigstens nachts?«
    Luke wartete hoffnungsvoll auf die Antwort. Aber der Vater sagte ohne aufzusehen einfach nur: »Nein.«
    »Das ist gemein«, beharrte Mark noch einmal. Mark war der zweite Sohn - der glückliche Zweite, dachte Luke in Momenten, in denen er sich selbst leid tat. Mark war zwei Jahre älter als Luke und nur ein knappes Jahr jünger als Matthew, der Älteste. Matthew und Mark waren leicht als Brüder zu erkennen mit ihren dunklen Haaren und den scharf geschnittenen Gesichtern. Luke war heller, zarter gebaut und hatte weichere Züge. Er fragte sich oft, ob er jemals so kräftig aussehen würde wie sie. Irgendwie glaubte er nicht daran.
    »Luke tut sowieso nichts«, rief Matthew. »Wir werden gar nicht merken, dass er nicht mehr mitarbeitet.«
    »Es ist doch nicht meine Schuld!«, setzte sich Luke zur Wehr. »Ich würde mehr helfen, wenn...«
    Wieder legte ihm die Mutter die Hände auf die Schultern. »Seid still - alle miteinander«, sagte sie. »Luke wird tun, was er kann. Das hat er schon immer getan.«
    Das Geräusch von Reifen auf der Kieseinfahrt drang durch das offene Fenster.
    »Also, wer...«, begann der Vater. Luke kannte das Ende des Satzes. Wer könnte das sein? Warum störten sie ihn ausgerechnet jetzt, wo er sich das erste Mal an diesem Tag ruhig hingesetzt hatte? Es war eine Frage, deren Ende Luke immer auf der anderen Seite einer Tür mit anhörte. Nervös, weil der Wald niedergemacht wurde, sprang er heute noch schneller auf als üblich und lief zu der Tür, die zur Hintertreppe führte. Auch ohne es zu sehen wusste er, dass die Mutter seinen Teller vom Tisch nehmen und in einem Schrank verbergen würde, um dann seinen Stuhl in die Ecke zu schieben, damit er aussah wie ein nicht benötigter Extra-Sitzplatz. In drei Sekunden würde sie alle Spuren beseitigen, die auf seine Existenz hinwiesen - gerade rechtzeitig, um zur Tür zu gehen und einem Düngerverkäufer entgegenzulächeln oder dem Regierungsinspektor oder wer auch immer vorbeigekommen war, um ihr Abendessen zu unterbrechen.
    – 4 –
    Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
    Kapitel 2
    Es gab ein Gesetz gegen Luke. Nicht gegen ihn persönlich - gegen alle wie ihn, Kinder, die geboren wurden, obwohl ihre Eltern bereits zwei Kinder hatten.
    Im Grunde genommen wusste Luke gar nicht, ob es noch andere wie ihn gab. Eigentlich durfte es ihn gar nicht geben. Vielleicht war er der Einzige. Sie machten etwas mit Frauen, wenn sie ihr zweites Kind zur Welt gebracht hatten, damit sie keine weiteren bekamen. Und wenn etwas schief ging und eine Frau trotzdem schwanger wurde, war sie verpflichtet das Ungeborene wegmachen zu lassen.
    So hatte Mutter es ihm vor Jahren erklärt, als Luke das erste und einzige Mal gefragt hatte, warum er sich verstecken musste.
    Damals war er sechs Jahre alt gewesen.
    Zuvor hatte er geglaubt, nur sehr kleine Kinder müssten außer Sicht bleiben. Er hatte geglaubt, wenn er erst so alt sei wie Matthew und Mark, würde er genauso herumlaufen können wie sie, mit dem Vater aufs Feld oder sogar in die Stadt fahren und dabei Kopf und Arme aus dem Wagenfenster hängen lassen. Er hatte geglaubt, sobald er so alt sei wie Matthew und Mark, könne er im Hof spielen und den Ball bis auf die Straße hinausschießen, wenn er wollte. Er hatte auch geglaubt, er könne zur Schule gehen. Sie

Weitere Kostenlose Bücher