Schattenkrieg
den Händen an, wie breit sie waren. Zum ersten Mal war die Pistole für einen Moment nicht auf ihn gerichtet. Sie entspannte sich langsam. Ein gutes Zeichen. »Und mein Instinkt sagte mir, dass ich recht hatte. Nun, ich dachte mir, wenn ich dich schon nicht finde, um Antworten zu erhalten, kann ich vielleicht ihn danach fragen, also bin ich ihm gefolgt. Er nahm den Bus in Richtung Åndalsnes. Bei Kleive wurden wir dann angegriffen.«
»Wovon?«
»Etwas
Riesigem
. Es hat den Bus von der Straße gefegt, als ob es Spielzeug gewesen wäre, und begann damit, die Insassen zu töten. Der Ketzer und ich sind zum Glück bei dem Unfall aus dem Bus geschleudert worden, sonst hätte es uns wahrscheinlich ebenfalls getötet. Ich habe ihn beobachtet, wie er zurück ist und sich dem
Ding
gestellt hat. Sie haben gekämpft, er mit einem winzigen Dolch, gegen dieses Phantom, eine Schlange, einen Meter im Durchmesser, vielleicht zwanzig lang. Ich bin davon. Oben auf der Straße sammelte mich mein Fahrer auf. Als der Ketzer aus dem Wald kam, haben wir ihn mitgenommen.«
»Und? Was hast du von ihm erfahren?«
Maria verzog das Gesicht. »Nichts.«
»Nichts?«
»Nein. Ich war zu schockiert, um ihm Fragen zu stellen. Er hieß Ronan, soviel weiß ich immerhin. Und das Ding war ein Phantom.« Ihre Miene verfinsterte sich plötzlich, als sie bemerkte, dass schon wieder er die Fragen stellte und Maria sie beantwortete. »Ich sagte gerade schon,dass du aufhören sollst damit! Ich möchte wissen: Wer sind die Parteien? Wofür kämpfen sie? Und was ist die Rolle der Kirche bei alledem?«
Christopher musste nicht mehr lange nachdenken. Er hatte inzwischen genügend Informationen gesammelt. Maria würde ihn nicht verraten. Sie hatte auch nicht vor, zur Kirche zurückzukehren. Sie stand kurz davor, einen persönlichen Feldzug gegen das
Böse
anzutreten. Sie brauchte seine Informationen, um zu entscheiden, wer für sie das Böse war. Wenn sie diese Information hatte, würde sie losziehen und gegen sie kämpfen. Die Kirche hatte vermutlich nichts von ihr zu befürchten. Und somit beschloss er, ihre Fragen zu beantworten. Es war sein Todesurteil, sollte sie jemals in die Fänge seiner Kollegen geraten. Aber er liebte sie immer noch.
»Es gibt drei große Parteien«, begann er. »Die eine Partei sind die Schatten, teuflische Kreaturen, die nicht von dieser Welt stammen. Sie sind sadistisch, gewalttätig und aggressiv, besitzen magische Kräfte und kämpfen um so etwas wie die Weltherrschaft. Du erinnerst dich an die Zelle in Kopenhagen, die wir im Herbst observiert haben? Das waren Schatten. Ihre Gefolgsleute sind die Rattenmenschen, denen wir auf dem Boot begegnet sind. Sie entführen große Menschenmengen, um sie in die Innenwelt zu bringen.«
»Ist das wirklich eine Parallelwelt?«
Christopher zuckte mit den Schultern. »Genau weiß das keiner. Außer Schatten und Hexern ist von dort noch niemand zurückgekehrt.«
»Hexer?«
»Hexer sind die zweite Partei. Sie sind Erzfeinde der Schatten und versuchen eher, den menschlichen Fortschritt aufzuhalten und die Natur zu schützen. Noch vor sechzig Jahren haben sie Forscher getötet und Universitäten in die Luft gejagt. Außerdem hassen sie die Kirche, aus welchem Grund auch immer. Angeblich stört unsere Religion ihre Magie.«
»Was war vor sechzig Jahren?«
»Der Zweite Weltkrieg. Dort sind sich die Hexer der Germanen und einer Allianz der anderen Stämme gegenseitig an die Gurgel gegangen.Die Germanen existieren seitdem nicht mehr, und der Rest ist sehr geschwächt. Momentan haben sie alle Hände voll zu tun, die Schatten im Zaum zu halten, und lassen die Kirche größtenteils in Ruhe.«
»Und die Phantome?«
»Phantome sind böse Geister. Geister der Schatten. Sie sind selten hier in unserer Außenwelt, und wenn, dann selten von besonderer Macht. Was du beschreibst, ist ungeheuer stark für ein Phantom.«
»Also war dieser Ronan ein Hexer«, dachte sie laut nach. »Und Veronika wahrscheinlich auch …«
»Veronika?«
»Veronika Wagner. Du hast bestimmt von ihr gehört.«
»Ja.« Noch vor ein paar Wochen hatte der Name sämtliche Schlagzeilen gefüllt. Eine deutsche Offizierin, die im Kosovo einem ihrer Männer den Kopf abgeschnitten hatte. »Du bist ihr begegnet?«
Sie nickte. »Ich habe ihr
empfohlen,
ihm den Kopf abzuschneiden. Er war ein Kontaktmann der Zelle und wahrscheinlich ein Schatten.«
»Du warst im
Kosovo
?« Diesmal gelang es ihm nicht mehr, seine Überraschung zu
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