Schattenkrieg
Deutschland.«
Einer der beiden hielt kurz inne mit seinem stupiden Kaugummikauen. »Wie wars?«, fragte er, und, als Christopher nicht gleich antwortete: »Alles glatt gelaufen?«
Christopher ignorierte die Frage. »Kann ich rein?«
Ein Schatten huschte kurz über das Gesicht des Agenten. »Ja«, erwiderte er dann, »Sie werden erwartet.«
Christopher wandte sich zur Tür zum Büro des Kardinals und trat nach kurzem Klopfen ein.
Mathäus’ Arbeitszimmer war geschmackvoll eingerichtet, mit holzgetäfelten Wänden, Möbeln aus Mahagoni und weich gepolsterten Ledersesseln. Aus den hinter großen Zimmerpflanzen versteckten Lautsprechern quoll gedämpft gregorianische Kirchenmusik, von der der Leiter der Inquisition ein großer Fan war. Auf seinem Schreibtisch standen Tastatur und Flachbildschirm des darunter verborgenen Rechners, eine Telefonanlage sowie ein Stapel Papiere. Er wirkte unaufgeräumter als sonst.
Kardinal Mathäus war ein Mann Anfang sechzig, mit kantigem, glattrasiertem Gesicht und ernst gescheiteltem grauen Haar. Er trug eine schwarze Anzugshose mit einem weißen Hemd. Die purpurne Krawatte war der einzige Hinweis auf seine Zugehörigkeit zur Inquisition.
»Christopher.« Der Kardinal stand auf, trat ihm entgegen und reichte ihm die Hand.
»Eure Eminenz«, erwiderte Christopher, nachdem er sich über den Kardinalsring gebeugt hatte.
»Setz dich, Christopher.« Mathäus ging zurück hinter seinen Schreibtisch und ließ sich in den Sessel sinken. »Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?«
»Danke.« Er schüttelte den Kopf und setzte sich ebenfalls.
Der Kardinal ließ sich über die Sprechanlage ein Wasser kommen. Sie schwiegen, bis einer der Zwillinge Glas und Flasche auf dem Schreibtisch abgestellt hatte und wieder gegangen war.
»Nun, Christopher«, fragte Mathäus, als sich die Tür hinter dem Agenten geschlossen hatte, »meine erste Frage an dich lautet: Hast du eine Erklärung dafür, warum Maria im Januar in Trondheim gewesen ist?«
Nach außen hin war Christophers einzige Reaktion, überrascht die Augenbrauen nach oben zu ziehen. Innerlich überschlugen sich fast seine Gedanken.
Er
war im Januar in Norwegen gewesen. Glaubte Mathäus, dass er sich dort mit ihr getroffen hatte? Warum war sie so unvorsichtig gewesen, dort aufzukreuzen? Hielten sie ihn etwa nun auch für einen Verräter? »Ich fürchte, Eure Eminenz, ich habe keine Ahnung«, antwortete er deshalb wahrheitsgemäß.
»Es fand also kein Treffen statt?«
»Nein, Eure Eminenz. Bis gerade eben wusste ich noch nicht einmal, dass sie dort gewesen ist.«
Und das war die Wahrheit: Eigentlich hätte er sie für klüger gehalten. Nachdem sie ihm vor einem knappen Jahr erklärt hatte, dass sie aussteigen würde, hatte er ihr eindringlich genug erklärt, dass das ihr Todesurteil war, wenn die Inquisition sie schnappen würde. Er hatte sie davor gewarnt, jemals wieder Kontakt mit ihm aufzunehmen, und sie nicht einmal gefragt, wohin sie gehen würde, um sich zu verstecken. Nichts zu wissen war sicherer. Anschließend hatte er ihr einen Monat Zeit gegeben,bevor er pflichtbewusst im Vatikan angerufen hatte, um Mathäus von ihrem Verrat zu berichten.
Eigentlich
hätte er sie sofort töten müssen. Sie hatte ihm Gelegenheit genug gegeben. Doch er hatte es nicht gekonnt. Maria war damals die einzige Person in seinem Leben gewesen, die ihm etwas bedeutet hatte.
»Sie war dort. Seitdem ist sie wieder untergetaucht.«
»Dann hat wohl jemand geschlafen«, war Christophers einziger Kommentar. Er ließ sich auch jetzt nichts anmerken, doch er spürte die Erleichterung. Für einen Moment hatte er tatsächlich geglaubt, dass sie sich hatte schnappen lassen.
Der Kardinal nickte. »Du hattest nicht zufällig zu dieser Zeit Männer in Trondheim?«
Christopher schüttelte den Kopf. »Nein, Eure Eminenz. Ich habe von Oslo aus operiert.« Er sagte nicht:
Ihr könnt meine Agenten fragen
. Er war sich sicher, dass das Mathäus bereits veranlasst hatte. Hoffentlich musste er sich nach ihrem Verhör keine neuen Männer suchen …
Mathäus nickte nachdenklich. »Erzähle mir mehr über Norwegen.«
Und damit war das Thema Maria abgeschlossen, zumindest für Christopher. Weder er noch einer seiner Männer hatte seine ehemalige Agentin dort getroffen, er wusste von nichts. Falls Mathäus in seinem Bericht weiterhin nach Indizien dafür suchte, dass er gelogen hatte, war das nicht sein Problem. »Otta war ein Fehlschlag«, begann er ohne Überleitung.
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