Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
Die Matrosen seilten sich ab und erledigten routinemäßig ihre Arbeiten. Zwei wagemutige Kerle landeten in den Baumwipfeln unterhalb ihres Lagerplatzes. Sie ernteten kopfgroße Früchte, die in Aussehen und Geschmack Kokosnüssen ähnelten.
Vögel krächzten in der Ferne, gewaltige Mengen des Federviehs dümpelten im See umher. Sie staksten langbeinig durch Brackwasser auf der Suche nach Nahrung für ihre immer hungrige Brut, die in exakt abgezirkelten Bereichen von den größten Exemplaren der Kranichähnlichen bewacht wurden.
»Mir gefällt das nicht, Käpt'n«, sagte der Steuermann. »Es ist ein bisschen zu paradiesisch hier.«
»Du hast die Stärke der Wachmannschaften ohnedies bereits verdoppelt«, widersprach Arun, obwohl auch ihm etwas mulmig im Bauch war. Das alles war zu schön, um wahr zu sein. Es passte in keiner Weise zu jener primitiven und zerstörerischen Kultur, die sie von den Gog/Magog kennengelernt hatten.
»Aswig und Nidi sollten sich beeilen, damit wir so rasch wie möglich verschwinden können.« Der Steuermann wischte sich Schweiß von der Stirn. Er beugte sich über die Reling, wohl zum zwanzigsten Mal während der letzten Stunde. »Ein Gegner, dem ich in die Augen blicken kann, ist mir weitaus lieber als einer, der unsichtbar bleibt.«
Die beiden Freunde hielten sich nach wie vor in ihrem Versteck im Bugbereich auf. Es befand sich hinter Reservetauen und einigen Holzbalken, die nicht morsch genug waren, um sie zu entsorgen. Ab und zu hörte man sie leise plaudern, manchmal auch kichern. Harmeau hatte ihnen vor einiger Zeit etwas zum Essen und Trinken hingestellt. Sie hatten danach geschnappt und sich gleich wieder zurückgezogen.
»Ich kann und will sie nicht drängen«, sagte Arun. »Setze ich die beiden unter Druck, liefern sie uns womöglich falsche Auskünfte. Wir haben nicht die Zeit, das gesamte Reich der Gog/Magog nach einer Waffe abzusuchen.«
Dennoch war er mit seiner Geduld am Ende. Es ging nicht an, dass er von den Launen des Jungen und des Schrazels abhängig war! Womöglich würde ihm mit einer altbewährten Taktik mehr gedient sein?
Wenn er einige Gog/Magog einfing und sie einigen seiner erfahrenen Leuten vorsetzte, würde er vielleicht rasch Antworten erhalten. Fünfaugen-Matz zum Beispiel war ein besonderer Spezialist dafür, Elfen zum Sprechen zu bringen. Er würde sich sicherlich freuen, den neuen Spitznamen Sechsaugen-Matz umgehängt zu bekommen. Oder wenn er Torell, den Eierdieb, zum Einsatz brachte, der in seinem Leben ganz gewiss noch keine Hühnereier gestohlen hatte?
»Wir warten«, bestimmte Arun. »Ich vertraue den beiden.«
Eine weitere Stunde verging. Nidi schluchzte zwischendurch, dann stritten die beiden, und schließlich kam Aswig mit geröteten Augen zum Vorschein.
»Hier ist nichts«, sagte er leise. »Ich kann den Dolch in einiger Entfernung fühlen, dann aber auch wieder nicht. Er scheint selbst zu entscheiden, ob er sich mir zeigt oder nicht.«
»Kannst du eine ungefähre Richtung angeben?«, fragte Arun, der Mühe hatte, ruhig zu bleiben.
»Dorthin.« Aswig deutete unbestimmt nach Norden.
»In dieser Richtung liegt die Stadt, die wir bereits einmal besucht haben«, meldete sich der Steuermann zu Wort. »Bist du dir sicher?«
»Wir sollten noch einen weiteren Zwischenaufenthalt einlegen, bevor ich es mit Sicherheit sagen kann.« Nidi sprang auf Aswigs Schulter und von dort auf seinen Kopf.
»Dann machen wir uns auf den Weg, sobald der Hilfskoch und seine Leute zurück sind!«, befahl Arun. »Die Zimmerleute sollen die Arbeiten am Rumpf einstellen und an Bord kommen. Ich möchte, dass die Cyria Rani abflugbereit ist.«
Der Steuermann nickte und gab die Anweisungen weiter. Es schien, als wäre jedermann erleichtert über diese Entscheidung. So friedlich die Insel unter ihnen auch wirkte – sie alle fühlten, dass Gefahren auf ihr lauerten.
Und sie wussten, dass die Ängste berechtigt waren, als nur noch die Hälfte der Männer vom Jagdausflug zurückkehrte. Alle anderen waren verschwunden, einfach so, und trotz einiger Stunden intensiver Suche fand sich keine Spur der Vermissten.
Sie segelten weiter. Arun ließ höchste Vorsicht walten und achtete darauf, dass sie stets in der Deckung dicker Wolkenbänke blieben. Unter ihnen breitete sich ebenes Land aus, das teilweise bestellt oder mit riesigen Fleischtieren besprenkelt war. Die Gegend wirkte idyllisch, und sie passte so ganz und gar nicht zu den Gog/Magog, zu diesen schrecklichen
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