Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
Kriegern.
»Wir hätten die Leute suchen müssen«, sagte der Steuermann mit vorwurfsvoller Stimme. »Sechs Leute! Sechs der besten Männer! Und wir geben sie einfach auf!«
Arun schluckte schwer, bevor er erwiderte: »Wir hätten die Insel tagelang durchsuchen können, ohne Spuren unserer Leute zu finden. Wir hätten den Rest der Mannschaft in Gefahr gebracht. Und alle Pläne, den Dolch Girne herbeizuschaffen, wären gefährdet gewesen. Die Zeit ist ein bedeutender Faktor im Kampf gegen Alberich, wie du weißt.«
»Sechs Leute ...«, wiederholte der Steuermann. Seine Hände öffneten und schlossen sich, immer wieder.
»Es tut mir genauso leid wie dir, alter Freund.« Arun legte ihm begütigend eine Hand auf die Schulter. »Aber wir wussten, dass dieser Auftrag Opfer fordern würde.«
Vögel begleiteten sie, laut und verärgert kreischend. Auch hier, in den dichter werdenden Wolkenbänken, ließen sie sich nicht abschütteln, als suchten sie die Sicherheit des Schiffs vor einem aufziehenden Gewitter.
»Wir sollten höher gehen«, brummelte der Steuermann, »und dem Regen ausweichen.«
»Tun wir das.« Arun sah sich besorgt um. Er hatte das Gespräch mit seinem Freund und Ratgeber bereits wieder vergessen. Unter ihm schloss sich die letzte Lücke im Wolkenband, der Boden war nicht mehr zu sehen. Oberhalb des Schiffs geschah Ähnliches. Die Sonne wurde von riesigen Wattebäuschen verschluckt, die angenehme Wärme machte einer feuchten Kühle Platz. »Da stimmt was nicht«, sagte er beunruhigt zu sich selbst, »da stimmt was ganz und gar nicht.«
Immer mehr Vögel umschwärmten das Schiff. Sie klapperten lautstark, krächzten zu ihnen herüber, entfernten sich dann wieder und wurden von anderen ihrer Sippe abgelöst, die näher drängten.
»Das sind scharfe Schnäbel«, sagte Harmeau, der mit einem Mal neben Arun stand. »Ich wette, mit denen könnte man eine Kokosnuss wie nichts knacken. Oder aber den Kopf eines Mannes. Was meinst du, Käpt'n?«
Er nickte bedächtig und dachte an die sechs Matrosen, die auf der Insel zurückgeblieben waren. »Zu den Waffen!«, rief er laut über das Hauptdeck hinweg. »Holt an Segeltuch ein, was nicht unbedingt benötigt wird, und sichert den Rest. Bleibt in Zweier- oder Dreiergruppen beisammen. Beobachtet die Vögel. Mag sein, dass sie es auf uns abgesehen haben.«
Ungläubige Blicke trafen ihn, doch als der Steuermann die Anweisungen wiederholte, taten die Männer wie befohlen. Manche von ihnen kletterten in die Wanten hoch, andere versammelten sich neben der Reling, mit Schwertern und Messern und Dolchen in der Hand.
»Blutrote Schnäbel, blutrote Augen«, murmelte Harmeau. »Kennst du die Geschichte vom Unglücksvogel Matiphe, dem besten Freund von Davy Jones? Er klaubt die aufgedunsenen Leichen aus den Weltmeeren und legt sie seinem Freund zu Füßen, sodass er sie zu einem Brei zerstampfen kann, der dann verkocht wird ...«
»Ist schon gut, Harmeau. Geh jetzt an die Arbeit! Und verbreite deine Lügengeschichten ja nicht unter dem Rest der Besatzung. Denk an deine Pfeife ...«
Der Matrose schob sich seinen grauen Haarschopf unter die Kappe und nickte ehrerbietig, während er fluchtartig das Kommandodeck verließ.
Ringsum wurde es dunkler und dunkler, lauter und lauter. Schwingen schlugen hektisch, die Vögel kreischten und klapperten mit den Schnäbeln. Etwas klopfte gegen das Holz des Schiffsrumpfs, irgendwo riss etwas.
»Achtung!«, rief jemand. Ein Schmerzensschrei ertönte, Seil rollte sich auf, und Segeltuch fiel zerrissen und zerfetzt aufs Deck.
»Macht Lee! Rasch!«, schrie der Steuermann. Die Matrosen gehorchten augenblicklich. Das Schiff drehte sich so, dass es nun möglichst ruhig lag. Die Angreifer sollten keinen zusätzlichen Vorteil aus dem Wind ziehen.
Er stürmte an mehreren Matrosen vorbei, hin zu einem Netz, in dem sich zwei der Vögel verfangen hatten. Als wäre dies das Kommando für den eigentlichen Beginn der Auseinandersetzung, stürzten unzählige Reiher auf sie herab, auf die Besatzungsmitglieder, auf Herumliegendes, auf Tuch und auf Holz.
Arun erhielt einen Schlag von hinten. Er ließ sich fallen und hieb instinktiv mit dem Schwert um sich. Er traf etwas, durchschnitt Fleisch, Sehnen und Knochen. Ein weiterer Vogel stürzte sich herab, den er mit einem Hieb tötete. Erst wurde der Himmel schwarz, er war umgeben von einer Masse heftig um sich schlagender und beißender Reiher, die sich mit langen Krallen voran über die Männer der Cyria
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