Schattenlord 5 - Sturm über Morgenröte
Wahrscheinlich musste man das einfach selbst erlebt haben, um es zu begreifen.
»Ein violetter Dolch mit Namen Girne also«, sagte sie nüchtern. »Wo befindet er sich?«
»In der Gläsernen Stadt, im Turm dortselbst«, gab Josce Auskunft.
»Das klingt wieder mal aufregend«, stellte Finn fest. »Irgendwelche Anhaltspunkte? Wie gelangen wir dahin, transportiert ihr uns, mit wem müssen wir reden, um den Dolch zu kriegen, und wie kommen wir zurück? Immer vorausgesetzt, wir gehen überhaupt.«
»Das ist der Haken«, räumte Josce ein. »Leider gibt es keine Abkürzung. Der Weg muss weitgehend zu Fuß zurückgelegt werden. Es gilt, drei Hürden zu überwinden: Das Tal des Verlorenen Windes, den Wald der Sprechenden Bäume und die Wiege des Riesen.«
Milt konnte nicht anders: Er musste trocken, fast abfällig lachen. »Und das ist alles?« Er sprang auf und schüttelte den Kopf. »Ihr habt hier doch alle einen an der Klatsche, und zwar durchgehend und so, dass es richtig wehtut, permanent.« Aufgebracht lief er ein Stück abseits auf und ab, um sich abzureagieren.
»Es ist natürlich Lauras Entscheidung«, sagte Finn. »Und wir werden sie überallhin begleiten, das steht außer Frage. Aber ich kann Milt nur zustimmen: Das geht meiner Ansicht nach zu weit.«
Cedric stand auf. »Kann ich dich kurz sprechen, Laura?«
Sie zuckte die Achseln. »Okay.« Sie folgte ihm ein Stück zur Seite.
»Du hast dich bereits entschieden«, sagte Cedric zu ihr.
Laura nickte. »Ich habe auch noch eine Rechnung mit Alberich offen. Und ich hoffe, dass ich während des Weges Informationen über Zoe oder Anne und Robert kriege, am besten beides. Irgendwie hängt das alles zusammen, oder?«
»Das sehe ich ebenso. Und vor allem sehe ich es so, dass du erst mal aus der Schusslinie des Schattenlords bist, wenn du jetzt einen anderen Weg einschlägst. Ich sollte dich begleiten.«
Laura lehnte ab. »Das Verhältnis zwischen dir und Milt ist mir zu fragil. Ich habe keine Lust auf zwei Streithähne, die sich im bedeutenden Moment nicht einig werden können. Finn ist da anders. Abgesehen davon, dass er einfach macht, was er will, und meistens das Richtige.« Sie hob dozierend den Finger. »Und du könntest den Schattenlord wieder auf die Spur locken, indem du dabei bist, weil er dich irgendwie ausschalten möchte. Es ist besser, wenn wir uns trennen. Und ich glaube, ihr fünf seid hier vorerst sicher, während ihr zugleich den Nachrichtendienst der Iolair nutzen könnt.«
»Hm. Einverstanden. Ich werde auch versuchen, etwas über Zoe in Erfahrung zu bringen.«
»Das geht schon in Ordnung, Cedric. Wenn es an der Zeit ist, Zoe zu finden, werden wir das auch. Das habe ich auf meiner jüngsten Reise durch mich selbst gelernt. Und es wurde mir im Verlauf unserer heutigen Beratung noch einmal bewusst - wenngleich ein bisschen spät, weil ich zuerst in typisch menschlichen Bahnen dachte und ein schlechtes Gewissen hatte. Ich fühle mich schuldig Zoe gegenüber.«
»Vor allem für die Zeit, als du tot warst«, sagte er ironisch. »Laura, hör auf, dich für alles und jeden verantwortlich zu fühlen; du hast selbst genug Probleme.«
Sie lächelte schwach. »Du solltest dich mit deinen Kollegen beraten, ob ihr wirklich noch anonym bleiben wollt.«
»Derzeit ja. Das ist sicherer für die Gemeinschaft. Der Schattenlord kann nicht einfach einen nach dem anderen umbringen, da er nicht die genaue Identität im Ausschlussverfahren feststellen kann. Und eine solche Erpressung funktioniert bei Elfen nun einmal nicht, Regel hin oder her, dass keine Menschen zu Schaden kommen dürfen.«
Laura blickte zum Tisch hinüber, wo Milt wieder Platz genommen hatte. »Das ist alles sehr undurchsichtig, Cedric. Ihr habt einen anonymen Auftraggeber, die Iolair haben einen anonymen Anführer, die Identität des Schattenlords ist auch ... Nun, vielleicht ist er wirklich nur er selbst, so ein wabernder schwarzer Dunst ... Jedenfalls sind mir das ein wenig zu viele wilde Karten in unserem Spiel.«
»Tja, das lässt Raum für die wildesten Spekulationen.«
»Einige von meinen Mitpassagieren habe ich übrigens aus dem Ratespiel bezüglich der verbliebenen Sucher ausschließen können.«
»Inwiefern?«
»Diejenigen, die als Sklaven in die Stadt der goldenen Türme verschleppt wurden. Ich habe euch fünf in der Wüste gesehen, während sie dort waren. Damit fallen Gina, Finn, Rudy, Frans, Karen, Anais und ein paar andere raus.«
Cedric grinste. »Darauf bin ich auch
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