Schattenlord 5 - Sturm über Morgenröte
stehen; sie hatte keine Luft mehr. Wie weit war sie wohl gerannt? Sie sah sich um und stellte fest, dass sie im Kreis gelaufen war. Der Versammlungsplatz blitzte schon zwischen den Bäumen hindurch, und vor einem Baum stand Milt.
Ich bin auch schon in meiner eigenen Falle gefangen, dachte sie frustriert. Renne im Kreis, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren und meine Aufgabe anzunehmen. Nicht mal zum Davonlaufen tauge ich.
Langsam ging sie auf Milt zu.
»Besser?«, fragte er.
»Nein, aber das hilft sowieso nichts.«
»Ich habe nachgedacht«, fuhr er fort. »Du musst das nicht tun, Laura. Wir können genauso gut auch aufbrechen und unsere Suche nach den Herrschern fortsetzen. Die Iolair haben ohnehin keine Anhaltspunkte oder Fährten, an denen wir uns orientieren könnten. Wir brauchen sie also nicht und können wie bisher auf eigene Faust weitermachen. Finn wäre dabei, das weiß ich. Er war ziemlich sauer über die Unverschämtheit der Iolair. Was sollen sie denn dagegen machen?«
»Uns nicht aus dem Krater rauslassen, zum Beispiel«, antwortete Laura. »Wir kommen ohne deren Erlaubnis niemals durch den Nebel, an den Fallen und an den Wächtern vorbei. Geschweige denn dass wir wahrscheinlich schon allein Wochen brauchen, um überhaupt aus dem Krater bis zum Nebel zu finden.«
»Na, dann sagen wir ihnen eben, dass wir dieses Ding holen, und gehen einfach woandershin.«
»So was mache ich nicht, Milt.«
»Okay, ich ja auch nicht.«
»Und wir sind auf sie angewiesen.«
»Ja, ich weiß schon. Aber sie genauso auf uns.«
»Nur leider ziehen wir keine Vorteile daraus bis auf den Umstand, dass unsere Freunde in Sicherheit sind und es hoffentlich auch bleiben.«
»Eine Scheiße ist das«, brachte er es auf den Punkt.
Laura lachte mit Galgenhumor. »Also, gehen wir zurück.«
Zusammen mit Milt kam sie wieder zum Tisch, an dem die anderen geduldig warteten. Wahrscheinlich hatte in der Zeit keiner ein Wort gesprochen - die Menschen waren zu wütend, und die Iolair vermieden es, unangenehme Fragen zu provozieren, die sie nicht beantworten wollten oder konnten.
Cedric verhielt sich betont neutral. Zu diesem Thema konnte er nichts sagen.
»Also«, sagte Laura, während sie Platz nahm, »dann legt mal los.«
Veda übernahm das Wort. »Es ist ein Dolch aus violettem Lanthaneisen, dessen Griff aus dem Elfenbein eines Einhorn-Horns geschnitzt wurde. Wird er in Alberichs Herz getrieben, vernichtet er beide Gestalten, und der Drachenelf existiert nicht mehr.«
»Der Zwerg«, korrigierte Nidi. »So wie ich.«
»Was ist er denn nun, Zwerg oder Elf?«, fragte Felix ärgerlich.
»Du bist doch Deutscher, du solltest das wissen«, spottete Nidi. »Alberich gehört zu den Schwarzalben, ist damit also ein Elf und auch ein Zwerg. Wobei die Zwerge vor den Elfen da gewesen sind und aus Riesen entstanden sind.«
»Hä?«, machte Jack.
»Ja, und es gab zwei Horden, doch Alberich sagte sich schnell los und verfolgte eigene Wege wie seine ganze Familie. Eine saubere Familie, möchte ich hinzufügen, die durch Lug und Trug eine Menge Leid brachte.« Nidi redete sich immer mehr in Eifer hinein und war kaum mehr zu bremsen.
»Ist ja gut«, versuchte Laura ihn zu beruhigen. Sie war erstaunt: Sollte der kleine Schrazel etwa doch die Wahrheit über sich sprechen? Aber seit wann sah ein Zwerg aus wie ein Löwenäffchen?
»Der Dolch trägt den Namen Girne «, fuhr Veda fort.
»Wozu hat eine Waffe einen Namen?«, fragte Milt erstaunt.
»Weil Namen Macht haben«, antwortete Cedric. »Das habe ich heute deutlich gemacht.«
»Aber ich dachte, das gilt nur für Personen.«
»Nein, auch bestimmte Waffen und Artefakte besitzen Namen, denn dadurch erlangen sie Bedeutung. Etwas Namenloses hat keine Bedeutung, es sei denn, es entstammt dem Ursprung.«
»Und ich dachte immer, Namen seien Schall und Rauch«, murmelte Felix.
»Das ist bei meinem Namen der Fall.« Cedric lächelte. »Mach dir nichts draus, Felix - akzeptiere es einfach, wie es ist. Für uns ist das nicht außergewöhnlich, so wie für euch eure physikalischen Gesetze.«
Laura dachte an ihre Wanderung durch das Ohnenamenland. Sie hatte nichts von alledem vergessen, und manchmal glaubte sie, hinter der weißen Mauer ein Flüstern zu hören. Wahrscheinlich stand irgendwo in dem Land immer noch die Hütte. Sie hoffte, dass der Mondelf nicht darin gefangen war.
Deshalb verstand sie, was Cedric zu erklären versuchte, konnte es aber genauso wenig in Worte fassen.
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