Schattenlord 5 - Sturm über Morgenröte
mit sich.
Sie brauchten sich nicht zu verabschieden, es bekam ohnehin niemand mit. Nidi war mitten auf einer Platte voller Süßigkeiten eingeschlafen und schmatzte noch im Traum.
Arm in Arm schlenderten Laura und Milt zu ihrer Hütte.
»Weißt du, was ich jetzt vermisse?«, fragte er unterwegs.
»Den Mond und die Sterne.«
»Ja.«
»Hast du Heimweh?«
»Ich weiß nicht. Du?«
»Nein«, antwortete sie sofort. »Ich habe nichts zurückgelassen. Wenn ich könnte, würde ich für immer hierbleiben.«
»Auch unter Alberichs Herrschaft?«, fragte er. Beide lachten leise.
»Ernsthaft«, fuhr Milt dann fort. »Ich ... lebe ja schon im Paradies. Es gibt auch bei uns schöne Orte, und meine Heimat zählt dazu. Es ist immer warm, das Meer ist einzigartig, die Arbeit macht Spaß, und die Leute ... sind gut drauf. Wir haben nicht viele Sorgen, denn der Tourismus und die vielen Residenzen der VIPs sorgen für annähernd Vollbeschäftigung. Man kümmert sich nicht mal um Rassismus.«
»Schlägst du vor, dass ich zu dir ziehe?«
»Warum nicht? Meine Eltern sind locker. Sie sind Australier. Mal abgesehen davon, dass ich längst erwachsen bin und sie nicht um Erlaubnis fragen muss. Und ... du könntest es dir einfach mal anschauen und für eine Weile ausprobieren.«
Laura schwieg.
Nach einer Weile fragte Milt vorsichtig: »Habe ich dich verärgert?«
»Nein, Milt. Ich denke nur nach.«
»Ah.«
Sie blieb stehen und sah zu ihm auf. »Mir hat noch nie jemand eine Zukunft angeboten. Das ist nicht verwunderlich, denn ich bin ja gerade erst einundzwanzig. Aber ... gerade hier, gerade jetzt, dass du von einer gemeinsamen Zukunft sprichst ... mir eine Heimat bieten willst ...«
»Nur auf Probe«, wiederholte er schnell. »Ich meine, wir kennen uns ja noch gar nicht im Alltag. Wir kennen uns überhaupt erst vier Wochen und ein paar Tage. Aber gerade weil du ... nichts daheim hast, wohin du zurückkehren willst, wäre das vielleicht ... unsere Chance, ohne dass wir uns zerreißen müssen?«
»Hm«, machte sie. »Weißt du auch, wovon du da redest? Du bist zehn Jahre älter als ich und erwachsen, wie du sagst. Ich ...«
»Wenn du nicht erwachsen bist, dann weiß ich nicht, wer es sein sollte. Laura, nach all dem, was du in dieser kurzen Zeit durchgemacht hast, bist du reifer als alle anderen, auch als ich.« Er strich eine Strähne aus ihrem Gesicht. »Und du machst mich verrückt«, fügte er hinzu. »Was da heute Nachmittag zwischen uns passiert ist ... das habe ich noch nie so erlebt.«
»Geht mir genauso«, sagte sie lächelnd. »Feuerwerk, Vulkanausbruch und Atombombenexplosion in einem. Du hast es ordentlich drauf, mein Herr.«
»Du hast mich überwältigt«, widersprach er.
Sie starrte in die Nacht hinaus. Um sie herum war es still, nur gelegentlich ließ sich ein Nachttier hören. Das Bankett befand sich allmählich in Auflösung, morgen sollte ein anstrengender Tag stattfinden - die Besprechung über das weitere Vorgehen. Und einige Klärungen standen aus.
»Eines muss ich wissen«, sagte Laura schließlich. Sie spürte, wie Milt sich anspannte. Wahrscheinlich ahnte er es schon, aber zwischen ihnen sollte nichts Unausgesprochenes stehen, wenn sie neu anfingen.
»Als ich gestorben war - hast du da etwas zu mir gesagt, was niemand hören sollte?«
Er schwieg, sein Gesicht zeigte einen betroffenen Ausdruck.
»Als ich meine Erinnerungen wiederfand, waren welche dabei, an die ich mich, so merkwürdig es klingen mag, nicht erinnern konnte. Es waren Erinnerungen, die jener Teil meines Bewusstseins erlebt hatte, der sich noch ans Leben klammerte, während ich eigentlich schon tot war. Mein Geist war bereits abgestürzt, aber irgendwie hat meine Seele es mitbekommen und gespeichert. Auf meinem langen Weg auf dem dunklen Pfad hörte ich Stimmen. Zum Teil waren es eure Stimmen, während ihr versucht habt, mich von der Mauer zu befreien, aber zum Teil auch Nachhall von etwas, das vorher geschehen war und irgendwie seinen Niederschlag im Ohnenamenland hatte.«
»Ich ... ich ...«, stammelte er.
»Hast du gesagt, dass du mich liebst?«, fragte sie direkt.
»Ja«, sagte er leise.
Sie schmiegte sich an ihn. Er schloss seine Arme um sie.
»Es ist eben so, nicht wahr?«, sagte sie sanft. »Manchmal geschieht es so. Nicht, weil es eine Extremsituation ist, sondern weil man zusammengehört.« Sie sah zu ihm hoch. »Ich liebe dich, Milt. Für all das, was du gesagt und getan hast und noch tun willst. Und wenn du es willst,
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