Schattenlord 5 - Sturm über Morgenröte
Giftmischerin schritt an den Bänken vorbei, und weiterhin sagte niemand etwas. Alle saßen schreckerstarrt und wagten nicht zu atmen.
Nur eine einzige Person zeigte sich erfreut.
»Venorim!«, rief Finn und winkte ihr. »Hier, du kannst dich vom Erfolg deiner Behandlung überzeugen!« Er hob seinen Pokal, in dem inzwischen der achte oder gar neunte nachgegossene Wein schwappte. »Prost!«
Die Iolair starrten ihn an, als wäre er endgültig übergeschnappt. Die Gäste hingegen zeigten sich wenig beeindruckt, sie kannten ihren Bruder Leichtfuß. Ihre Gastgeber mochten das nicht wissen, aber auch Finn eilte ein Ruf voraus.
Da die Gestrandeten schon mit Zombies und zum Teil auch mit Ghulen zu tun gehabt hatten, gingen sie schnell zur Tagesordnung über und luden ihre Teller nach, füllten ihre Pokale mit Bier und Wein und was es sonst noch geben mochte. An Venorim störten sie sich nicht weiter, nachdem von den ersten Bänken, an denen sie vorübergekommen war, noch niemand tot heruntergekippt war. Doch, einer fiel, aber weil er stockbetrunken war und beim Halsverrenken, um nichts vom Auftritt der Giftmischerin zu verpassen, das Gleichgewicht verloren hatte.
Venorim beugte sich über Finn und strich ihm leicht mit einem langen spitzen Nagel über die Wange. »Einfach entzückend«, krächzte sie amüsiert.
»Sie ist da.« Finn deutete zu Laura. »Laura, das ist Venorim. Sie hat dich von den Toten zurückgeholt.«
Laura sah zu der großen, spinnenartigen Elfe hoch, die aussah, als wäre sie frisch dem Grab entstiegen. »Ich bin dir zu Dank verpflichtet.«
»Artig, artig«, kicherte die Giftmischerin. »Nicht doch. Zur Abwechslung mal ein Leben zu retten hat etwas für sich.«
Laura nickte lächelnd. Sie hatte keine Angst vor der Frau oder empfand sie gar als unheimlich, noch weniger als alle Weggefährten. Nicht nach all dem, was sie gerade hinter sich gebracht hatte. »Die Iolair müssen froh sein, deine Unterstützung zu haben.«
»In der Tat, und das ist auch der Grund meiner Anwesenheit.« Sie lachte geisterhaft in das folgende Schweigen hinein. »Scherz!«
Trotzdem lachte niemand mit. Die Iolair waren weiterhin wie gelähmt.
»Ernsthaft, junge Laura. Ich bin ein Nachtgeschöpf und kein freundliches. Nie gewesen. Ich bin sehr gefährlich und äußerst tödlich. Doch wohin sollte ich gehen, wenn Innistìr nicht mehr ist? Alberich ist dabei, alles zu zerstören, und das kann ich nicht zulassen. Innistìr ist unser Reich. Die meisten von uns sind hier geboren, und wir werden unsere Heimat bis zum letzten Blutstropfen verteidigen.«
»Das ist ein Wort!«, rief Finn und sprang auf. »Darauf ein Hoch! Hoch! Dreimal Hoch!«
Laura kam seiner Aufforderung, ohne zu zögern, nach, dann Milt, gefolgt von Jack und den anderen Gestrandeten, und schließlich, verblüfft und peinlich berührt, die Iolair. Alle standen sie und stießen auf eine Albtraumgestalt an, die ihrerseits wie vom Donner gerührt dastand. Ein denkwürdiger Abschluss der beiden vergangenen, nicht minder denkwürdigen Tage.
Venorim streckte den Arm aus und zeigte mit dem langen Zeigefingernagel auf Finn. »Du bist ein Cluricaun!«, krächzte sie, dann schritt sie davon.
»Gesundheit!«, rief Finn fröhlich und goss sich nach. »Hicks! Auf wen trinken wir jetzt?«
»Auf die Gefallenen!«, dröhnte Deochars diesmal gar nicht so leiser Bass. Darin stimmten alle ein. Dann ließen sie die Helden der Schlacht hochleben und die Gäste und die Anführer und zuletzt die wahren Herrscher Innistìrs, wo immer sie auch sein mochten.
Danach mussten neue Fässer geholt werden.
»Was ist ein Cluricaun?«, wollte Milt wissen.
»Ein trinkfreudiger Genosse, der jeden Leprechaun in den Arsch tritt, wo er ihn sieht!«, antwortete Finn ausgelassen. »Alte irische Mythologie. Die Dame kennt sich aus. Hicks! Gibt’s hier noch wassu trinken?«
Nidi zeigte breit grinsend seine scharfen Zähnchen. »Er hat vergessen hinzuzufügen, dass die Cluricauns kleine knorrige Hutzelmännchen sind.« Aber ihm hörte schon gar niemand mehr zu, denn alle waren viel zu sehr mit sich und dem Bankett beschäftigt. Inzwischen waren Musiker dabei, ihre Instrumente zu stimmen. Dann kam erst richtig Stimmung auf.
»Mir scheint, da hat jemand ziemliches Lampenfieber«, bemerkte Nidi zu Finn.
»Wie kommsu da drauf?«
»Weil du dich besäufst. Denkst du, das wird ihr gefallen?«
»Hasrecht. Ich sollte noch was dringgen.«
»Zu spät«, warnte Nidi und stieß ihn an. »Schau,
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