Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
anerkennend und deutete auf die Papiere.
»Außerordentlich pedantisch zusammengetragen. Beinahe die letzten vierzig Jahre Ihres Lebens sind aufgeführt, auch die Ihres Sohnes Klaus. Viele andere Ihrer Mitverschwörer sind auch dabei. Nette Spielkameraden, die Sie da hatten. Eine wirklich gründliche Recherche von diesem Jerome.«
Der Name Jerome verursachte, dass Schöller seine sich auferlegte Kontrolle nicht aufrechterhalten konnte. Verständlich, wenn man bedachte, welche Neuigkeiten man ihm in den letzten Stunden um die Ohren gehauen hatte. Gepaart mit Mitteilungen, die er der Welt auf zwei Tonbänder gesprochen hatte. Ein fairer Tausch, mochte man meinen, doch er sollte sich nicht als fair herausstellen.
»Jerome! Dass ich nicht lache. Reichstein ist ein Lügner, ein Spinner, ein kranker Mensch und auf gar keinen Fall mein Sohn.«
Von Hagenreuther blieb gelassen.
»Das wird die genetische Analyse Ihres Speichels verifizieren, Herr Schöller.«
»Oder eben auch nicht.«
»Dann bleiben immer noch die schweren Vorwürfe gegen Sie im Raum, unabhängig davon, ob der Mann nun Ihr Sohn war oder nicht.«
Von Hagenreuther schnappte wie ein Karpfen nach Luft.
Sattler, der Mann vom BKA, öffnete die oben liegende Mappe. Er nahm ein Foto, 11 mal 13, heraus und drehte es zu Schöller um.
»Das sind doch Sie, Herr Schöller? Ziemlich scharfes Foto, zusammen mit Hans Peter Lohmeyer und Wieland, der übrigens flüchtig ist, seit genau einem Tag nach dem Attentat. Wer von Ihnen beiden hat die Zünder installiert? Wie konnten Sie an eine Bombe mit solch einer Sprengkraft herankommen? Wer sind Ihre Kontaktmänner im Ausland und wer die im Inland?«
Sattler machte eine Kunstpause. Er fuhr ungerührt fort. Er war der Neue im BKA, er konnte sich keine Rührseligkeiten leisten.
»Wussten Sie schon, dass wir Bladeck verhaftet haben? Er zwitschert wie ein Vögelchen, sitzt gleich nebenan und versucht, alles Ihnen in die Schuhe zu schieben. Es sieht nicht gut aus für Sie, mein Lieber.«
Schöller sackte mit einem tiefen Seufzer in sich zusammen. Es gab keinerlei Eile für ihn zu antworten. In diesem Raum war er sicher. Es würde der letzte sichere Raum auf dieser Erde für ihn sein. Niemand konnte hier eindringen, niemand ihn zu etwas drängen. Je länger er schweigen würde, desto länger würde er leben, atmen, die Gedanken sortieren, die Sünden bereuen, die so zahlreich waren, dass die Zeit am Ende doch nicht reichte.
»Einverstanden«, antwortete er matt. Er ergab sich in sein Schicksal. »Es ist vorbei. Es macht keinen Unterschied, ob mein Anwalt noch kommt oder nicht. Die werden mich sowieso nicht gehen lassen, ebenso wenig wie Bladeck und Wieland. Meine Spielkameraden, wie Sie sie nennen«, Schöller hob den Kopf und traf Sattler mit einem stechenden, beinahe schmerzhaften Blick, »das sind Leute, die alle Netze der Welt miteinander verflochten haben. In irgendeinem Scheißnetz wird Wieland sich verheddern. Sie finden ihn und er ist Geschichte. So einfach ist das.« Schöller lachte kurz auf und fixierte den Neuen. »Ich weiß noch nicht einmal, ob Sie am Leben bleiben werden.«
Schöller blickte in eine Ecke des Raumes, um die Antwort zu suchen. »Wissen Sie was? Es ist besser für Sie, wenn ich schweige. Dann haben Sie vielleicht eine Chance zu überleben. So sieht es aus. Oder denken Sie nicht auch, dass alles in diesem Raum Gesprochene in die große weite Welt gelangt?«
Schöller hob die Hände zu einer pathetischen Geste. Dann legte er den rechten Zeigefinger auf seine Lippen und zog aus dem Stapel eine grünliche Akte hervor, öffnete sie, blätterte zielstrebig darin herum, als würde er sie gut kennen. Dann drehte er sie um und schob sie Sattler vor den Bauch. Zu sehen war ein Dokument, oben rechts in der Ecke mit einem Passfoto. Das Foto mochte gut zehn Jahre alt sein, doch jeder wusste, wer dieser Mann war. Alle kannten ihn nur als den ›Fuchs‹. Noch immer schwieg Schöller und hackte mit dem Finger auf dem Dossier von dem Mann herum. Dann hob er den Daumen, als wolle er sagen, dass alle Schlechtigkeiten der Welt wie durch einen Trichter in diesen einen Mann hineingegossen worden waren.
Sattler betrachtete das Foto lange, las den Text von der ersten bis zur letzten Zeile. Dann erhellte sich sein Gesicht. Er lächelte und seine Augen wurden feucht. Von Hagenreuther verstand kein Wort dieser nonverbalen Kommunikation.
Schöller nickte zu Sattler. Er hatte ihm, trotz seines verpfuschten Lebens, zu
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