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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Hand nahm, spürte sie ihre Kraft, den harten kalten Stahl, das Gewicht, das versprach, dass Gerechtigkeit mit ihr begann und aufhörte.
    Eine Pistole akzeptierte keine Entschuldigungen. Für sie gab es keine Grauzone. Sie sprach die Wahrheit – eine schreckliche Wahrheit, eine letzte Wahrheit, eine Wahrheit, die sie und nur sie kontrollierte. Kein Aber. Kein Wenn – dann. Keine Schlupflöcher im Gesetz. Sie sprach ein Urteil und vollzog es, indem sie den Abzug drückte, und keiner konnte es anfechten.
    Lauren hatte zwei Schießanlagen am Stadtrand von Oak Knoll gefunden. In derselben Straße wie der Oaks Country Club lag der Oaks Gun Club, ein richtiger Herrenclub mit einer hochmodernen Schießhalle und einem Außenschießstand inklusive eines Bereichs zum Wurfscheibenschießen. Die Gebäude waren schön, das Gelände sehr gepflegt.
    Lance hatte einem solchen Club angehört, in dem die Mitglieder wie aus einem Land’s-End-Katalog gekleidet waren und ein Gewehr eine größere Investition darstellte. Lauren hatte das Schrotgewehr immer noch, handgefertigt in Italien, mit einem wunderschönen Holzkolben und einem fein ziselierten Lauf.
    Ihr gesellschaftliches Leben hatte zu einem nicht unerheblichen Teil in diesem Club stattgefunden. Viele der Freunde, mit denen sie Polo oder Tennis spielten, waren Mitglied dort.
    Allerdings war das Letzte, was Lauren dieser Tage brauchen konnte, ein gesellschaftliches Leben. Sie hatte keine Lust, sich fürs Schießen schick zu machen. Wie immer trug sie Jeans und T-Shirt und hatte eine schwarze Baseballmütze aufgesetzt, den Schild tief ins Gesicht gezogen. Ihr BMW war der Einzige auf dem Parkplatz der Schießanlage, die sie ausgewählt hatte.
    Canyon Gun Range lag am anderen Ende von Oak Knoll. Am anderen Ende – das hieß, dass es sich vom McAster College, von den Boutiquen und der Fußgängerzone so weit weg wie nur möglich befand, und zwar in einem Gewerbegebiet mit vielen niedrigen Stahlbauten, die aussahen wie Lagerhäuser und Schweißereibetriebe, Schreinereien und Autowerkstätten beherbergten. In dem Gebäude, in dem die Schießanlage untergebracht war, gab es auch ein Waffengeschäft und eine schmierige Tabledance-Bar.
    Hierher brachte Lauren die elegante James-Bond-Waffe ihres Ehemanns, um ihre Schießkünste aufzupolieren und die in ihr wütenden Dämonen zu beschwichtigen.
    Keiner ihrer Bekannten würde sie jemals hier vermuten.
    Der Parkplatz war zur Hälfte besetzt. Sie holte ihre Waffentasche aus dem Kofferraum, hängte sich den Riemen über die Schulter und ging in das Haus.
    Die holzgetäfelten Wände waren mit den ausgestopften Köpfen toter Tiere dekoriert. Sie spürte deren lebloses Starren, genauso wie das Starren der Männer im Empfangsbereich. Wenn sie größere Brüste gehabt hätte, dann hätten sie ihr womöglich gesagt, sie habe die falsche Tür erwischt, und sie nach nebenan in die Bar geschickt. Sie war die einzige Frau hier. Aber momentan konnte man sie nicht mit einer Stripteasetänzerin verwechseln. Zu dünn, zu alt, zu blass, zu müde.
    Wortkarg meldete sie sich an und füllte die erforderlichen Formulare aus. Der Angestellte prüfte die Walther und wies sie auf ein Sonderangebot für Zielscheiben hin. Lauren bezahlte einen Dollar extra für einen lebensgroßen Pappkameraden.
    Am Schießstand setzte sie Augen- und Gehörschutz auf, befestigte ihr Ziel, die papierne menschliche Silhouette, und ließ es bis zur Fünf-Meter-Marke zurückfahren, dann nahm sie die Pistole.
    Das erste Mal, seit sie Anne Leones Büro verlassen hatte, spürte Lauren, wie sie ruhig wurde. Ruhe und Klarheit breiteten sich in ihrem Kopf aus. Ihre Hände hörten auf zu zittern.
    Sie holte tief Luft, hob die Walther und fing an. Schnell kam sie in den vertrauten Rhythmus. Peng! Peng! Peng! Atmen. Peng! Peng! Peng! Atmen. Peng! Peng! Peng! Nachladen. Peng! Peng! Peng! …
    Brust, Brust, Kopf, atmen. Brust, Brust, Kopf, atmen …
    Jeder Schuss traf sein Ziel, sodass der Pappkamerad bald völlig zerfetzt war. Dann der zweite, der dritte, der vierte …
    Als sie fertig war, sammelte sie die Patronenhülsen auf, warf sie zusammen mit den durchlöcherten Silhouetten in den Mülleimer und packte ihre Sachen ein.
    Beim Gehen bemerkte sie, dass die Männer, die auf zwei anderen Bahnen trainierten, aufgehört hatten zu schießen und zu ihr herüberstarrten. Ein weiterer Mann nahm gerade seine Tasche und hielt ihr die Tür nach draußen auf.
    Nachdem sie beide ihre Ohrenschützer

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