Schattennetz
Frau hat den Täter in der Kirche überrascht, er hat sie erwürgt und dann in diesem Loch oder was das ist – ich habs ja noch nicht gesehn – kurzerhand versteckt.«
»Könnte so gewesen sein«, räumte Linkohr ein. »Aber weshalb treibt sich der Täter in der Kirche rum, wenn seine Vorrichtung doch automatisch funktioniert?«
Schweigen. Häberle verschränkte seine Arme und sah in die Runde: »Genau das ist der Punkt. Wir dürfens uns nicht zu einfach machen. Der junge Kollege hat den Schwachpunkt erkannt. Und genau da müssen wir ansetzen.« Oft genug schon hatte er in eine einzige Richtung ermittelt, um dann feststellen zu müssen, dass alles ganz anders war.
Linkohrs Telefon dudelte. Er nahm den Hörer ab und ließ sich von dem Anrufer etwas schildern, das er sogleich auf der Rückseite eines Faxes notierte.
Die Kollegen im Saal warteten gespannt auf das Ende des Gesprächs, um ebenfalls zu erfahren, worum es ging. »Sie haben etwas gefunden«, klärte sie Linkohr schließlich auf. »Etwas ganz Raffiniertes.«
13
Stadtpfarrer Cornelius Kustermann hatte die Kirchengemeinderäte telefonisch von der verschobenen Beerdigung Simbachs unterrichtet. Inzwischen war die Nachricht von den beiden weiteren Toten im Kirchturm zum Stadtgespräch geworden. Und schon machten die wildesten Gerüchte die Runde. Vor allem aber wollte niemand mehr daran glauben, dass Simbach und Czarnitz zufällig am gleichen Ort eines natürlichen Todes gestorben sein könnten, zumal es mit Maria Gunzenhauser auch noch ein drittes Opfer gab.
Konrad Faller hatte sich in sein Chefbüro zurückgezogen und die Tür ins Vorzimmer einrasten lassen. Er wollte ungestört mit der Dekanin telefonieren. Glücklicherweise meldete sie sich sofort.
»Tut mir leid, wenn ich Sie störe«, begann er vorsichtig und strich sich über seinen Vollbart. »Aber ich glaube, es ist an der Zeit, einige Dinge anzusprechen.«
Die Dekanin erwiderte nichts.
»Ich befürchte, dass uns einige unangenehme Fragen nicht erspart bleiben«, machte er weiter. Noch ehe er darauf eingehen konnte, unterbrach sie ihn energisch: »Wieso denn unangenehm? Ich wüsste nicht, weshalb. Wir haben uns nichts vorzuwerfen.« Der Tonfall ließ keinen Widerspruch zu. »Wir haben uns bemüht, die Angelegenheit auf korrekte Art und Weise zu regeln. Nun ist das Sache der Polizei – und wir werden alles darlegen, was wir wissen.«
Faller kniff die Augen zusammen. Natürlich hatte die Dekanin recht. Und natürlich war sie überaus korrekt, da bestand nicht der geringste Zweifel. Aber musste deshalb alles an die Öffentlichkeit? »Alles?«, wiederholte er deshalb.
»Ja, alles«, entschied die Theologin.
Faller räusperte sich. »Na ja«, machte er weiter, »ich weiß nicht, inwieweit Sie informiert sind …«
Schweigen.
Faller fuhr fort: »Aber ich denke, wir sollten uns dann auch von Torsten Korfus trennen – und zwar so schnell wie möglich.«
»Wir werden einige Konsequenzen ziehen müssen«, stimmte die Theologin zu, um nach kurzer Pause nachzuhaken: »Sie sagen trennen? Wie soll ich das verstehen?«
In diesem Augenblick drangen schrille elektronische Töne aus Fallers Schreibtischschublade. Er erschrak und überlegte, ob er zwei Dinge gleichzeitig tun sollte. Dann entschied er sich, das Gespräch abzubrechen. »Entschuldigen Sie bitte, ich hab ein wichtiges geschäftliches Gespräch. Ich ruf Sie gleich wieder an.«
»Wenn Sie mir etwas Neues zu sagen haben, können Sie das gerne tun«, erklärte die Dekanin. Faller drückte die Austaste auf dem mobilen Telefonteil, zog die Schublade auf und entnahm ihr ein Handy. Auf dem beleuchteten Display war der Hinweis »Unbekannter Anrufer« zu lesen. Faller drückte die grüne Taste und hob das Gerät ans Ohr. »Ja?«, fragte er vorsichtig.
»Mit wem spreche ich denn?«, hörte er eine Männerstimme, deren Akzent ihn an die neuen Bundesländer erinnerte.
»Das hätt ich auch gern von Ihnen gewusst«, gab er selbstbewusst zurück.
Doch der andere schien ebenso schlagfertig zu sein: »Ihnen dürfte klar sein, dass an dem Handy, mit dem Sie soeben telefonieren, Blut klebt.«
Faller war für einen Moment schockiert. »Ich verstehe nicht.« Sein Mund wurde trocken.
14
Sabrina konnte nach dem Streit mit ihrem Schwager keinen klaren Gedanken fassen. Silke versuchte zwar, sie aufzurichten, doch für ihre Mutter waren die schrecklichen Ereignisse der vergangenen Tage wie ein Albtraum. Sabrina hatte inständig gehofft, mit der Beerdigung
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