Schattennetz
Fenster hinter ihm ab. »Es ist mir zu dumm, mich mit dir zu unterhalten. Du kannst Alexander alleene verscharrn – ja, verscharrn, so wirst du es wohl nennen. Wir gehn.«
Doch Sabrina setzte noch eins drauf: »Jetzt haben wir dich mal wieder erlebt, wie du wirklich bist. So, wie du dich vermutlich in Stasikreisen am wohlsten gefühlt hast. Stimmts?«
Jetzt war das Fass übergelaufen. Endgültig. Irgendetwas, das in Reichweite war, musste dran glauben. Er biss die Zähne zusammen, verzog das Gesicht zu einer Fratze und schleuderte mit einer einzigen Handbewegung einige Dekorationsgegenstände vom Regal der Schrankwand. Gläschen, Porzellanfiguren und ein Kerzenhalter schossen im weiten Bogen durch den Raum, krachten gegen die Wand und zersplitterten. Sabrina und Silke hielten sich schützend die Hände vors Gesicht. Anke, Nadine und Jonathan sprangen entsetzt auf und verließen das Wohnzimmer. »Da hast du deinen Scheiß«, brüllte Anton, stürmte ebenfalls hinaus und warf die Tür zu.
Sabrina schloss die Augen und atmete tief durch. Damit war dieses Kapitel auch abgeschlossen, ein für alle Mal. Und ›die von Hohenschönhausen‹, die Anton noch am Telefon angekündigt hatte, würden auch nicht mehr kommen. Er hatte sie gleich bei der Ankunft per Handy von der verschobenen Beerdigung informiert, sodass sie wieder umdrehen konnten.
Auf die Schnelle waren 15 Kriminalisten verfügbar. Linkohr hatte im Auftrag Häberles die neue Kripochefin gebeten, Kollegen für eine Sonderkommission abzustellen. Als sie hörten, wer der Leiter sein würde, stimmten diese hochmotiviert zu. Denn unter Häberle zu arbeiten, bedeutete Teamarbeit vom Feinsten.
Im Lehrsaal des Geislinger Polizeireviers waren bis zur Mittagszeit die technischen Voraussetzungen geschaffen, Computer verkabelt und Schreibtische zusammengerückt worden. Häberle bedankte sich für das rasche Erscheinen der Kollegen und erteilte Linkohr das Wort, der die Ereignisse der vergangenen Tage kurz zusammenfasste.
»Die wichtigste Frage, die sich uns also stellt«, resümierte er, »ist die Sache mit dem Strom. Wenn die beiden Männer durch einen Stromschlag getötet wurden – und daran hat Dr. Kräuter inzwischen keinen Zweifel mehr -, dann muss im Glockenstuhl irgendeine Manipulation vorgenommen worden sein, die wir im Augenblick noch nicht kennen. Aber die Kollegen der Spurensicherung und ein Elektro-Sachverständiger sind derzeit damit beschäftigt, die gesamte elektrische Anlage zu überprüfen.« Linkohr sah zu Häberle hinüber, der sich auf einen Schreibtisch gesetzt hatte. »Dazu zählt auch die Mobilfunkgeschichte, die ein Stockwerk tiefer installiert ist. Antennen, Verstärker und so weiter. Und die Orgel.«
Ein älterer Beamter unterbrach: »Die Manipulation, wenn es denn eine gab, muss aber darauf ausgerichtet sein, dass die Stromzufuhr nur zu bestimmten Zeiten erfolgt – sonst hätte es ja wohl schon mehr Tote gegeben.«
Ein anderer fügte hinzu: »Weiß man denn, was die beiden Männer dort oben getrieben haben – und vor allem, wer da so alles raufkommt. Ich dachte immer, das läuft alles automatisch.«
Linkohr hob die Hände, um weitere Einwände erst einmal abzuwürgen. »Kommt alles noch, liebe Kollegen. Die Frage nach der Manipulation«, er wandte sich an den Kollegen Fluidum, »das werden wir in den nächsten Stunden beantworten können – und wer sich normalerweise so alles im Turm rumtreibt, müssen wir rauskriegen. Ganz entscheidend jedoch ist die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Männer zueinander standen. Denn sie beide muss etwas verbinden, was ihren Tod provoziert hat – durch wen auch immer.«
Häberle nickte. Der junge Kollege macht sich gut, dachte er. Die Beziehung beider Männer zueinander könnte tatsächlich der Weg zum Täter sein.
»Wir dürfen aber Frau Gunzenhauser nicht vergessen«, fuhr Linkohr fort. »Sie ist nicht durch einen Stromschlag umgekommen, sondern ersten Untersuchungen zufolge durch Erwürgen. Jemand hat ihr sozusagen den Hals zugedrückt. Auf ganz üble Weise.«
Häberle musste daran denken, wie ein Gerichtsmediziner einmal vor dem Landgericht diese Art des Tötens geschildert hatte. Minutenlang stünden sich dabei Mörder und Opfer Auge in Auge gegenüber. Der Täter durfte, um sein Ziel zu erreichen, nicht locker lassen. Eine entsetzliche Vorstellung. Häberle verdrängte diesen Gedanken.
Fludium aus der hintersten Reihe glaubte, bereits eine Schlussfolgerung ziehen zu können: »Die
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