Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
Vom Netzwerk:
zu sprechen war. Ein konkreter Grund dafür aber war ihm nie klar geworden. Er verlangsamte seinen Schritt und sah in diesem Moment einen weißen Audi auf den Kirchplatz einbiegen. Den Mann am Steuer erkannte er trotz der reflektierenden Windschutzscheibe. Häberle, ja, das war Häberle.
    Der Audi parkte direkt vor dem Sockel des Reiterstandbildes. Sander ging auf den Wagen zu, worauf sich die beiden Männer lautstark begrüßten, so als seien sie alte Freunde. Im Grunde genommen waren sie dies auch – obwohl sie sich nur bei den ganz großen Kriminalfällen trafen. Aber beide waren lange genug in ihren jeweiligen Berufen tätig, um immer wieder Berührungspunkte gehabt zu haben. Unterbrochen allerdings in den Jahren, als Häberle Sonderermittler in der Landeshauptstadt gewesen war.
    »Ich hab schon gedacht, Sie seien im Urlaub«, frotzelte Häberle und verschloss das Auto. »Schon halb 10 und noch kein Anruf von Sander.«
    »Stimmt, ich bin heut spät dran. Aber das Stadtfest war ein bisschen anstrengend.«
    Häberle grinste. »Stadtfest ist gut.« Er schaute zum Turm hinauf. »Ein Fest stell ich mir ein bisschen anders vor. Immerhin gabs drei Tote.«
    Sander stutzte. »Drei?«
    Häberle klopfte ihm mit seiner Rechten auf die Schulter. »Ich denk, das wissen Sie schon. Drei, ja. Aber wir reden nachher drüber. Rufen Sie mich gegen Mittag an.« Er ließ einen völlig irritierten Sander zurück. Das klang nach einer riesigen Geschichte. Ausgerechnet heute, wo ihn ein kräftiger Kater mit dröhnendem Kopfweh plagte.
     
    Häberle hatte trotz seiner Körperfülle die Höhe zur ersten Etage im Kirchturm mühelos erklommen. Die Dekanin war hingegen bereits auf dem Orgelpodest außer Atem geraten und merklich zurückgefallen. Sie würde sich im Fitnessstudio noch mehr plagen müssen, dachte sie.
    Der Chefermittler orientierte sich vor den rauschenden Schaltkästen der Mobilfunker kurz, erkannte aber sofort, wo die Kollegen waren: auf der rechten Seite, am Ende des Dachbodens. Dort waren inzwischen mehrere Handscheinwerfer auf Balken gestellt worden, um die Szenerie besser auszuleuchten. Häberle warf einen kritischen Blick auf den Fußboden, der einen durchaus vertrauenserweckenden Eindruck machte und stabil zu sein schien. Ohne zu zögern, näherte sich der Chefermittler den Beamten, die offenbar im Halbkreis in ein Loch blickten. Mehr konnte Häberle nicht erkennen, weil ihn die Lampen blendeten. Erst als er bis auf fünf Meter an die Personen herangekommen war, die ihn freudig überrascht begrüßten, wurde ihm klar, worum es sich bei der Vertiefung im Boden handelte: Es war die Oberseite des spitzgiebligen Chorgewölbes, das hier wie ein umgekehrter Trichter im Boden steckte und an den Seiten einen vier Meter tiefen, enger werdenden Graben ausbildete. In einer der Ecken lehnte eine hölzerne Leiter, über die zwei Beamte hinabgestiegen waren. Häberle wunderte sich, dass es überhaupt möglich war, das Gewölbe zu betreten.
    »Sie liegt da unten«, erklärte einer der Kriminalisten und deutete zu der ihnen gegenüberliegenden Seite der Vertiefung. Häberle ging am Rande entlang, um einen Blick auf das Kleiderbündel zu werfen.
    »Keine äußere Gewalteinwirkung erkennbar«, kommentierte ein anderer Beamter.
    »Aber sie ist es?«
    »Die Beschreibung stimmt. Alles deutet darauf hin, dass es Frau Gunzenhauser ist.«

12
    Sabrina hatte den Bruder ihres Mannes nie sonderlich sympathisch gefunden. Deshalb waren sie auch nur selten beieinander gewesen. Anton war für sie ein Großschwätzer, einer, der unablässig behauptete, früher sei alles besser gewesen. Früher, in der DDR. Damals, so argumentierte er häufig, habe man sich nicht dem Stress aussetzen müssen, in unzähligen Supermärkten stets nach der billigsten Butter Ausschau zu halten. Dass sie einst jedoch stundenlang Schlange gestanden waren, um ein Kilo Bananen zu ergattern, wie es Sabrina oftmals gehört hatte, das wollte Anton nicht mehr wahrhaben. Auch war er schon mehrfach auf die Kanarischen Inseln gereist, was ihn aber ebenfalls nicht von den Vorteilen der wiedergewonnenen Freiheit überzeugt hatte. Dass während der DDR-Zeiten seine Reisemöglichkeiten stark eingeschränkt waren und die Karibik nur aus Kuba bestand, schien er gleichfalls zu verdrängen. Sabrina hatte es bei den wenigen Besuchen in Bischofswerda deshalb stets vermieden, politische Gespräche zu führen.
    Jetzt saß ihr und Silke in dem viel zu kleinen Wohnzimmer die ganze Familie

Weitere Kostenlose Bücher