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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Ihnen: Seit einer Stunde bin ich mir absolut sicher, dass an der Sache noch mehr dranhängt. Bisher hab ichs nur vermutet, hab im Internet recherchiert und ein bisschen rumtelefoniert – aber nun weiß ich es. Und glauben Sie mir, ich kriegs raus. Wenn nicht ich, dann die Polizei.«
    Korfus’ Blick hatte sich verfinstert. Er schluckte und schwieg.
    »Oder …« Fallers Gesicht bekam wieder Farbe. »Oder soll alles genau so geklärt werden, wie das andere auch?«
    »Seien Sie vorsichtig«, presste Korfus hervor. »Überlegen Sie gut, was Sie sagen. Wenn Sie gekommen sind, um mir zu drohen, dann möchte ich Sie bitten, meinen Betrieb zu verlassen.«
    »Kein Problem. Mir ist völlig wurst, wer sonst noch dahinter steckt. Jedenfalls können Sie denen ausrichten, dass ich mich nicht einschüchtern lasse.«
    Korfus sprang auf, sodass der leichte Bürodrehstuhl gegen die Wand krachte. »Jetzt hören Sie doch endlich auf. Sie leiden doch unter Verfolgungswahn. Ihr Wessis vermutet doch bei allem, was aus dem Osten kommt, einen alten Stasispitzel. Glauben Sie denn, ihr hättet die große Freiheit gehabt? Man hats euch eingeredet und hat euch manipuliert. Die schöne heile Welt, ja, die hat man euch präsentiert – und dafür schuften lassen.« Korfus begann zu schreien. »Und was ist draus geworden? Kapitalismus pur. Die einen werden immer reicher – und die anderen gehen vor die Hunde. Solange das Volk auch ein bisschen davon abbekommen hat, mag es stillgehalten haben. Okay, hat man gesagt: Lasst doch den Bonzen ihre Villen im Tessin oder in der Karibik – uns gehts doch auch gut. Jetzt aber …« Er winkte ab. »Jetzt kapiert auch ihr langsam, wohin der Hase läuft. Ausgenommen werdet ihr.« Korfus blickte seinem Gegenüber scharf in die Augen. »Ach, was – was sag ich denn – was heißt ›ihr‹? Wir alle werden ausgenommen.«
    »Natürlich«, äffte Faller zurück, »natürlich – früher war alles besser. Bei euch. Drüben, in der DDR.«
    »Das sag ich nicht. Ihr solltet nur nicht so tun, als käme das Böse allein immer von uns. Und wir seien an allem schuld.«
    Faller schwieg für einen Augenblick. »Entschuldigung«, sagte er ruhig. »Wir sollten keine Grundsatzdebatte über die DDR führen, sondern uns auf unsere Probleme konzentrieren. Und da fällt mir eben auf …« Er hob die Arme, als wolle er damit andeuten, dass er für die Fakten nicht verantwortlich zu machen sei. »Ja, da fällt mir auf, dass doch einige Personen aus den neuen Bundesländern an dieser Sache beteiligt sind.«
    Korfus war irritiert. »Was heißt da an dieser Sache? Wollen Sie jetzt alle, die hier rübergekommen sind, in Grund und Boden verdammen? Habt ihr nicht alle die Wiedervereinigung gewollt? Habt ihr nicht Jahr für Jahr permanent den Tag der Deutschen Einheit gefeiert? 17. Juni und so?«
    Faller blieb gelassen. Er staunte über diesen emotionalen Ausbruch. So hatte er Korfus nie zuvor erlebt. »Na ja, jetzt nehmen Sie das doch nicht gleich so persönlich. Mir ist eben aufgefallen, dass auch der Herr Czarnitz mit den neuen Bundesländern zu tun hat.«
    »Na und? Ist das verboten?«, keifte Korfus zurück. »Wer sind denn die größten Geschäftemacher nach der Wende gewesen? Doch ihr Wessis, oder? Kaum war die Grenze damals offen, seid ihr wie die Heuschrecken eingefallen, um uns Versicherungsverträge und Bausparverträge aufzuschwatzen und klapprige Gebrauchtwagen anzudrehen. Was haben Sie denn für eine Ahnung, wie viele da drüben noch an solchen Verträgen zu knabbern haben! Man hat die Euphorie und die Ahnungslosigkeit der Menschen dort schamlos ausgenutzt. So sieht das nämlich aus.«
    Faller überlegte, ob er etwas entgegnen und die Situation noch mehr anheizen sollte. Er entschied sich, das Gespräch abzubrechen. »Vielleicht ergibt sich mal die Gelegenheit, in Ruhe drüber zu reden. Dass beide Seiten Fehler gemacht haben – da geb ich Ihnen recht. Nur stellt sich mir immer die Frage, was denn aus all den strammen Stasispitzeln geworden ist. Aus den Todesschützen an der Grenze, aus den unseligen Juristen und den Henkern, die es bei euch ja auch noch in den Achtzigern gegeben hat.«
    Korfus kochte innerlich. Am liebsten hätte er Faller etwas an den Kopf geworfen. Doch er blieb wie erstarrt stehen und schaute mit zusammengekniffenen Lippen dem Kirchengemeinderat nach.

15
    Es hatte abgekühlt, sodass auch aus dem Kirchturm der warme Modergeruch entwichen war. Als Häberle und Linkohr die enge Glockenstube betraten,

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