Schattennetz
in der Kirche getroffen haben und deshalb von ihm getötet worden sein.
Die Journalisten schrieben mit oder richteten ihre Mikrofone in Richtung Mallers. »Wir haben nun einige Fragen, bei denen Sie uns hilfreich sein könnten«, kam sie schließlich zur Sache. »Erstens sollten wir wissen, wer Herrn Simbach am Donnerstag oder Freitag gesehen hat, in oder außerhalb der Kirche. Oder wo er sich seit seinem Verschwinden aufgehalten hat. Es gibt Hinweise, dass er einen großen Bekanntenkreis hatte und sich auch gelegentlich in Diskotheken im Großraum Stuttgart aufgehalten hat.« Die Kripochefin suchte Blickkontakt zu den Medienvertretern aus Stuttgart. »In der Pressemappe, die Herr Stock nachher verteilt, ist auch ein Bild enthalten. Vielleicht besteht die Möglichkeit, es zu veröffentlichen.«
Der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Ziegler schaltete sich ein: »Was die Persönlichkeitsrechte an diesem Bild anbelangt, ist die rechtliche Situation klar. Sie können es zur einmaligen Veröffentlichung im Rahmen unserer Ermittlungen verwenden.«
»Außerdem«, so fuhr Maggy fort, »außerdem wollen wir wissen, in welchem Bezug Herr Simbach und das andere Opfer, Herr Rolf Czarnitz, zueinander standen. Das dürfte eine Frage sein, die vermutlich eher im Großraum Geislingen zu klären ist.«
Sander nickte.
»Hingegen«, so fuhr die Rednerin fort und blickte auf ihre Notizzettel, »gibt es auch Fragen von überörtlicher Bedeutung – wie etwa, welche Kontakte Herr Simbach in seine Heimatgemeinde Bischofswerda pflegte.« Sie verwies kurz darauf, dass er nach der politischen Wende in die Partnerstadt Geislingen übergesiedelt war.
»Dann geben uns noch zwei Dinge momentan Rätsel auf«, fuhr sie fort. Zum einen ist das Handy von Herrn Simbach verschwunden, vermutlich ein Nokia-Handy – und zum anderen haben wir im Kirchturm einen Schraubenzieher gefunden. Es scheint sich um ein älteres Modell zu handeln. Uns würde interessieren, ob jemand weiß, wer in letzter Zeit mit so einem Schraubenzieher hantiert hat oder uns sagen kann, wo ein solches Modell herstammen könnte. Wir haben Ihnen in der Pressemappe eine reproduzierbare Vorlage beigefügt.«
Der Leitende Oberstaatsanwalt bedankte sich für die Ausführungen. Noch ehe er nach Wortmeldungen fragen konnte, rief ein hemdsärmeliger junger Journalist von ›Bild‹ Stuttgart dazwischen: »Kann es denn sein, dass religiöse Motive eine Rolle spielen? Es ist nicht gerade ein gewöhnlicher Tatort, mit dem wirs hier zu tun haben. Außerdem hat diese Stadt, wenn ich richtig informiert bin, einen sehr hohen Ausländeranteil – insbesondere Türken.«
Ziegler antwortete in seiner gewohnt besonnenen Art: »Dazu gibt es keinerlei Erkenntnisse. Bisher gehen wir davon aus, dass das Motiv im persönlichen Umfeld zu suchen ist. Was aber nicht ausschließt«, so fügte er seine Standardformulierung hinzu, »dass wir in alle Richtungen ermitteln.«
Eine junge Frau, vermutlich Praktikantin eines privaten Radiosenders, wollte wissen, bis wann mit der Aufklärung der Verbrechen zu rechnen sei. Ziegler lächelte charmant. »Ich hoffe bald«, erklärte er.
Nachdem weitere Journalisten vergeblich nach Einzelheiten zu den Manipulationen an der elektrischen Schaltung gefragt und auch keine Auskunft über die persönlichen Verhältnisse der beiden getöteten Männer oder die Gewohnheiten der Mesnerin erhalten hatten, meldete sich Georg Sander zu Wort: »Was mich wundert, ist der Umstand, dass der Tod des Herrn Simbach überhaupt niemanden misstrauisch gemacht hat. Wie ist es möglich, dass ein Arzt einen Herztod feststellt, wenn die Ursache ein Stromschlag war?«
Ziegler sah den Geislinger Polizeireporter misstrauisch an. Er wusste natürlich genau, worauf Sander anspielte. Bei seiner ersten Pressekonferenz, die Ziegler vor einigen Jahren als frischgebackener Leiter der Staatsanwaltschaft abgehalten hatte, hatte er selbst darüber geklagt, dass es manche Ärzte bei der Feststellung der Todesursache nicht so genau nähmen. Zwar waren damals neue Kriterien eingeführt worden, doch bestand natürlich weiterhin die Möglichkeit, dass nicht jedes Tötungsdelikt tatsächlich bekannt wurde. »Sie wissen«, begann er deshalb gelassen, »wir haben uns schon mal darüber unterhalten. Sie werden niemals ausschließen können, dass jedes Kapitalverbrechen auch als solches erkannt wird. Wir sind dabei auf die Sorgfalt der Ärzte angewiesen. Wie dies im vorliegenden Fall gelaufen ist, entzieht sich
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