Schattennetz
waren.
Linkohr machte sich wieder Notizen und dachte darüber nach, wie es ihm wohl mit seiner Freundin Juliane ergangen wäre, wenn er die Beziehung nicht abgebrochen hätte.
Häberle spürte, wie Sabrina mit den Formulierungen kämpfte. »So was zu erleben, ist nichts Ehrenrühriges«, munterte er sie auf. »Beziehungsprobleme sind für uns beinahe etwas Alltägliches.« Er versuchte, ihr das Reden zu erleichtern. »Manchmal ist es hilfreich, darüber zu sprechen.«
»Um ehrlich zu sein«, begann Sabrina und stützte sich auf der Schreibtischplatte ab. »Es wäre gelogen, wenn ich die trauernde Witwe spielen würde. Mein Mann hat mich und meine Tochter tyrannisiert. Am Donnerstag ist er mal wieder verschwunden und hat irgendwann im Laufe des Tages angerufen und hier ausrichten lassen, er komme am Nachmittag wieder. Aufgetaucht ist er nicht.«
»Gibt es Anhaltspunkte, wo er gewesen sein könnte?«
Sabrina schüttelte den Kopf. »Nein, die gibt es nicht. Vielleicht ist er mit seinen Russendeutschen in einer Kneipe gewesen – was weiß ich. Vielleicht hat er auch rumgehurt – mit den jungen Russinnen oder Polinnen oder was weiß ich …« Sie kämpfte mit den Tränen.
Häberle ließ ein paar Sekunden verstreichen. »Was uns hauptsächlich interessiert, ist die Frage, was er im Kirchturm getan hat.«
»Keine Ahnung. Einerseits hat er rumgehurt, was jeder in der Stadt weiß, andererseits spielte er den biederen, christlichen Bürger, hat für die Kirche gespendet und sich ehrenamtlich eingesetzt.«
»Mal angenommen, jemand wollte ihn umbringen – und nimmt dazu entsprechende Manipulationen an der Elektrik des Glockenstuhls vor. Die Chance, dass sich Ihr Mann dann ausgerechnet beim Kreuz- oder Gebetsläuten dort oben aufhielt, war doch äußerst gering – oder wie muss ich das verstehen?«
»Das ist eine Frage, die sich meine Tochter Silke und ich heute schon den ganzen Tag über gestellt haben. Alexander hat sich um die Gebäudesubstanz gekümmert, nicht aber um die Glocken. Das tat Herr Korfus.«
»So hat es uns die Frau Dekanin auch berichtet«, zeigte sich Häberle verständnisvoll. »Wenn man also jemanden auf diese Weise umbringen konnte, dann doch eher den Herrn Korfus.«
Linkohr sah auf. Sein Chef hatte natürlich recht.
»Sie wollen damit sagen, der Mordanschlag hat gar nicht Alexander gegolten, sondern Herrn Korfus?«
»Es wäre zumindest denkbar.«
Die junge Frau schluckte und begann nervös, ein Blatt Papier zusammenzurollen. »Aber wenn es der Täter gar nicht auf Alexander abgesehen hat, bleibt trotzdem rätselhaft, was er dann da oben gemacht hat.«
»Genau das ist unser Problem.«
Linkohr hatte eine Idee: »Und dieser Korfus – der war ein Bekannter Ihres Mannes?«
»Sie kommen beide aus dem Osten«, antwortete sie knapp.
»Und?«, fragte Linkohr ein bisschen zu scharf, wie Häberle es empfand.
»Was heißt und?«, gab sich Sabrina kühl. »Eine große Freundschaft wars wohl nicht.«
Häberle hob eine Augenbraue. »Die beiden mögen sich nicht.«
»Wie kommen Sie denn darauf? Bloß, weil es da vor einigen Wochen einen Zwischenfall gegeben hat, über den die Leute hier ein Gerücht nach dem anderen in die Welt setzen?«
»Die Prügelei?«
»So sagt man. Mein Mann hat mit mir nicht drüber gesprochen und mir war das auch egal. Ich denk, dass da eine alte Sache hochgekocht ist. Aus DDR-Zeiten.«
Der Chefermittler lehnte sich zurück, musste aber schmerzhaft spüren, dass die Lehne seinem breiten Rücken nicht gerecht wurde. »Ihr Mann und Herr Korfus haben eine gemeinsame Vergangenheit in der DDR?«
»Ja, natürlich. Aber fragen Sie mich bitte nicht, welche. Alexander hat nie über die Zeiten vor der Wende sprechen wollen. Und sein Bruder ist schlichtweg ein Ekel.«
Linkohr wurde hellhörig. »Haben Sie seine Adresse?«
»Natürlich hab ich die. Ich kann sie Ihnen geben, wenn Sie wollen.«
Linkohr bat darum und notierte die Anschrift in Bischofswerda. »Postleitzahl weiß ich nicht«, fügte Sabrina an. »Liegt aber hinter Dresden – Richtung polnische Grenze. Löbau und Bautzen, die Ecke.«
Häberle wechselte abrupt das Thema. »Von Herrn Korfus wissen Sie auch nichts? Was er drüben gemacht hat und wo es da zu unliebsamen Begegnungen mit Ihrem Mann gekommen sein könnte?«
»Ich sagte Ihnen doch, dass ich von der Vergangenheit nichts weiß – und auch nichts wissen wollte. Als wir uns kennengelernt haben, der Alexander und ich, da sind wir in der großen Euphorie der
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