Schattennetz
Bischofswerda zu verstärken und auf die Dringlichkeit der Zusammenarbeit hinzuweisen. Sie wollten jetzt auch die beiden Landeskriminalämter in Stuttgart und Dresden einschalten.
Linkohrs Kollegen hatten inzwischen herausgefunden, wo sich an diesem Mittwochnachmittag der Vodafone-Servicetechniker aufhielt, der erst vor zwei Wochen die Mobilfunkanlage in der Stadtkirche inspiziert hatte. Dass er ihn als Ersten von zwei in Frage kommenden Technikern vernehmen wollte, lag an dessen Herkunft: Leipzig. Linkohr hatte die Handynummer erhalten und sich angemeldet. Der Mann war gerade in der sogenannten ›Schapfenmühle‹ tätig. Die Bezeichnung klang nach einer klappernden Mühle im Tal, war jedoch ein moderner, hoch aufragender Silobau, der erst vor wenigen Jahren auf der Hochfläche an Ulms nördlichem Stadtrand errichtet worden war. Wer sich aus Norden über die Alb hinweg näherte und am Horizont eigentlich den Turm des Münsters vermutete, dem stach zuerst die ›Schapfenmühle‹ ins Auge.
Linkohr hatte vom Parkplatz aus noch einmal den Servicetechniker angerufen und ihm mitgeteilt, dass er nun angekommen sei. Wenig später tauchte ein Mann im Freizeitlook auf: Jeans und leichte Sommerjacke, sportlich und schätzungsweise Mitte 30. Er stellte sich als Harry Spiegler vor, worauf Linkohr ihn bat, zu einem kurzen Gespräch in den Kripo-Polo zu steigen. »Wir können auch draußen bleiben«, meinte Spiegler, der sich große Mühe gab, seinen sächsischen Dialekt zu verbergen. Der Himmel war zwar bedeckt, die Luft aber mild.
Linkohr willigte ein, worauf sie zwischen dem Polo und einem daneben geparkten Opel Zafira stehen blieben. Spiegler, der eine randlose Brille trug und seine vermutlich blonden Haare auf wenige Millimeter Länge gestutzt hatte, wusste durch Linkohrs Anruf bereits, worum es ging. »Sie traun mir zu, ich hätt an den Glocken rummanipuliert«, begann er deshalb vorwurfsvoll.
Linkohr lehnte sich gegen die Fahrertür des Polos und besah sich das mächtige Gebäude, das wie ein Wolkenkratzer auf der grünen Wiese in den Himmel ragte. »So dramatisch dürfen Sie das nicht sehen. Wir wollen nur mit allen reden, die in den letzten Wochen im Kirchturm waren. Auch Ihren Kollegen von T-Mobile werden wir konsultieren.«
»Um es kurz zu machen«, kam Spiegler ungefragt sogleich zur Sache. »Ich hab nachgeschaut. Ich war am 11. Juli dort. War ein Dienstag.«
»Und wie läuft so eine Überprüfung der Anlage ab?«, fragte Linkohr, wohl wissend, dass er nichts verstehen würde, falls dieser Spiegler auch zu jener weit verbreiteten Technikerspezies zählte, die mit Fachbegriffen um sich warfen, um ihr Herrschaftswissen zu beweisen.
»Es werden im Schaltschrank verschiedene Module auf ihre Funktionstüchtigkeit hin geprüft. Auch natürlich das Gebläse, das für die Kühlung der elektronischen Bauteile sorgt.« Um gleich gar kein Missverständnis aufkommen zu lassen, fügte er an: »An den Glocken und an der Starkstromelektrik hab ich nichts zu schaffen.«
»Wenn Sie kommen, melden Sie sich an?«, lenkte Linkohr das Gespräch in die gewünschte Richtung.
»Ja, natürlich. Wir haben eine Telefonnummer. Das ist der Pfarrer. Für alle Fälle haben wir weitere Nummern.« Er zog ein Notizbuch aus der Innentasche seiner Jacke und blätterte. »Ja, der Pfarrer und dann das Dekanatsamt. Und noch einen Herrn Faller.« Er blickte genauer auf die Seite. »KGR hab ich hinter seinem Namen notiert. Heißt wohl Kirchengemeinderat.«
»Und als Sie Anfang des Monats dort waren – wer hat Sie eingelassen?«
»Das war am frühen Nachmittag. Es war der Pfarrer«, entsann sich Spiegler und steckte sein Notizbuch wieder ein.
»Sie werden eingelassen und gehen hoch – allein, nehm ich an?«
»Ja, natürlich. Die ganze Prozedur dauert dann etwa eine Stunde. Die Anlage dort in Geislingen ist ziemlich neu. Sie wurde erst ein paar Jahre nachdem die Netze schon voll in Betrieb waren dort installiert. Ein ganz schwacher Sender, mit dem ein Funkloch am Rande des Stadtkerns abgedeckt wurde.«
»Ihnen ist an diesem Nachmittag nichts aufgefallen, was anders war als üblich?«
»In keinster Weise«, antwortete Spiegler und vergrub die Hände in den Hosentaschen. »Aber Sie müssen bedenken, dass ich im Normalfall nur jedes halbe Jahr mal komme. Was sollen mir da Veränderungen im Turm auffallen?«
»Sie sagen – im Normalfall?«, hakte Linkohr nach.
»Turnusmäßig«, erklärte der Techniker. »Wenns eine Störung gibt, muss ich
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