Schattennetz
ob er Spieglers Formulierung aufgreifen sollte. »Ihn in etwas reinzuziehen?«
»Nu«, verfiel Spiegler in seinen sächsischen Dialekt, »die Frage liegt doch nahe, wie die Anlage mit Strom versorgt wird. Natürlich gibts für jede einen eigenen Zähler. Das hab ich ihm gezeigt.«
»Er hat also gesehen, wo die Anschlüsse sind.«
»Sagte ich doch gerade.«
»Mal angenommen, da wäre irgendetwas manipuliert worden, wäre Ihnen dies bei ihrem Besuch vor drei Wochen aufgefallen?«
»Nein«, räumte Spiegler ein. »Im Übrigen ist doch in Ihrem Fall an der Glockentechnik manipuliert worden. Viel weiter oben im Turm. Sie sollten sich nicht verrennen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.«
Häberle hatte den Eindruck, dass er zwar viele Teile eines Netzes in den Händen hielt, es aber trotzdem noch nicht spannen konnte. Beim Verlassen der Getränkehandlung grüßte er Frau Simbach und ihre Besucherin, stieg ins Auto und drückte die Kurzwahltaste der Sonderkommission. Der Kollege Herbert Fludium meldete sich und berichtete ihm, was Linkohr in Erfahrung gebracht hatte. Sie hätten inzwischen mit dem Kripochef von Bautzen telefoniert und ihn gebeten, Anton Simbachs Umfeld zu überprüfen. Der Kollege habe zwar Unterstützung zugesichert, aber dann wortreich seine permanente Personalnot beklagt. Nun werde man es wohl über die zuständige Direktion in Görlitz oder die Landeskriminalämter Stuttgart und Dresden versuchen, was Häberle als sinnvolle Vorgehensweise erachtete. »Jetzt hab ich auch noch eine Bitte«, nannte er den Grund seines Anrufs. »Notiert euch mal Hohenschönhausen. Mir kommt das irgendwie bekannt vor. Schaut mal im Internet nach, was sich da findet – und gebt mir Bescheid. Ich fahr noch mal schnell bei Faller vorbei.«
Fludium wiederholte den Ortsnamen, während Häberle im Hintergrund eine aufgeregte Stimme hörte, die offenbar nach ihm verlangte. »Moment«, sagte Fludium und reichte den Hörer weiter, worauf sich eine andere Männerstimme meldete. »Ich hab Linkohr am Apparat. Er möchte Ihnen was Wichtiges sagen.«
»Soll mich gleich anrufen«, gab Häberle zurück und unterbrach das Gespräch.
Eine halbe Minute später meldete sich der junge Kriminalist. »Stör ich?«, fragte er.
»Sie stören nie«, gab Häberle zurück. »Sie haben Spannendes zu berichten?«
»Ich war bei diesem Vodafone-Menschen«, kam es aus dem Lautsprecher der Freisprechanlage. »Eigentlich hatte er nichts Aufregendes zu berichten. Bis ich ihn dann auf Faller angesprochen habe. Und jetzt kommts: Als der Techniker im Januar zuletzt im Turm war, hat sich Faller für die Technik interessiert und sich alles erklären lassen.« Linkohrs Stimme verriet seine Aufregung. Er schien auf eine Reaktion Häberles zu warten, doch der hielt sich zurück.
»Das ist doch seltsam, oder?«
»Zumindest bemerkenswert ist es«, zeigte sich Häberle zurückhaltend.
»Aber es gibt noch was. Am 7. Juli könnte es im Turm eine Unregelmäßigkeit in der Elektrik gegeben haben. Vodafone verzeichnete nämlich eine kurzzeitige minimale Spannungsschwankung, was zu einer Störung geführt hat.«
»Sie meinen, da hat einer rumgebastelt?«
»Genau das mein ich.«
»Dann lassen Sie beim Albwerk prüfen, ob die auch was festgestellt haben.«
Geislingen war noch in der glücklichen Lage, als Kleinstadt nicht nur eine eigene Zeitung, ein Polizeirevier und ein Amtsgericht zu haben, sondern auch ein Elektrizitätsunternehmen, das zwar insbesondere ein Stromverteiler war, aber als Genossenschaft einen weithin guten Ruf hatte. »Ich mach noch einen Abstecher zum Immobilienbüro Czarnitz«, erklärte Häberle sein weiteres Vorgehen an diesem Nachmittag. »Und dann treffen wir uns bei der Soko.«
Linkohr bestätigte und erinnerte an die Pressekonferenz, die Stock und der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Ziegler auf 15 Uhr anberaumt hatten. »Werden Sie dabei sein?«
»Wenns mir reicht.« Er sah auf die Uhr im Armaturenbrett: 13.45 Uhr. »Aber ich denk schon. Ich will ja Maggy nicht enttäuschen.«
30
Das Immobilienbüro Rolf Czarnitz befand sich im abgetakelten Verwaltungsgebäude einer ehemaligen Öltankfabrik im Stadtbezirk Eybach. In früheren Zeiten war es Teil der Schlossbrauerei gewesen, die den Grafen von Ackerstein gehörte, deren Schloss sich schräg gegenüber an den Steilhang schmiegte, direkt unter der gewaltigen Kalksteinwand des Himmelsfelsens.
Häberle hatte unweit des Eingangs zum Schlosshof geparkt und war die restlichen
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