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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd
Autoren: Tami Hoag
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von Drogen – für Mensch oder Tier, heilende oder entspannende – konnte man hier bekommen, wenn man wusste, wen und wie man fragen musste. Weil ich früher mal zu dieser Welt gehört hatte, war es mir möglich, mich unauffällig unter die Leute zu mischen. Ich war so lange weg gewesen, dass mich keiner mehr kannte. Aber trotzdem wusste ich, wie man sich unter ihnen bewegte und wie man redete. Ich konnte nur hoffen, dass Seans kleiner Scherz in Sidelines mich nicht meiner Anonymität beraubt hatte.
    Ich schlängelte mich durch das hintere Gelände, euphemistisch »die Wiese« genannt, die Zeltstadt, in der die Veranstalter immer die Dressurpferde unterbringen, die in jeder Saison nur für einige Wettbewerbe hergebracht werden. Von diesen Zelten brauchte man etwa zwanzig Minuten, um zum Zentrum des Geländes zu kommen. Bulldozer und Bagger waren in einer Ecke abgestellt, parkten auf einem erst vor kurzem gerodeten Stück Land. Das Gelände wurde mal wieder erweitert.
    In den Zelten brannten matte Lichter. Ein melodisches Frauenlachen perlte durch die Nachtluft. Das leise Kichern eines Mannes unterstrich das Geräusch. Die beiden standen am Ende eines Ganges in Zelt neunzehn. In einer Ecke des Zeltes bildete eine kunstvoll gestaltete Landschaft die Bühne für ein beleuchtetes Schild mit einem einzigen Wort in goldenen Buchstaben auf einem jagdgrünen Hintergrund: JADE.
    Ich ging vorbei. Nachdem ich Jades Boxen gefunden hatte, wusste ich nicht, was ich tun sollte. So weit hatte ich nicht vorausgeplant. Am anderen Ende von Zelt achtzehn machte ich kehrt und ging zurück, durch die Gänge von neunzehn, bis ich die Stimmen wieder hören konnte.
    »Hörst du was?« Eine Männerstimme. Mit Akzent. Vielleicht flämisch.
    Ich hielt die Luft an.
    »Verdauungsgeräusche«, antwortete die Frau. »Ihr geht’s gut, aber wir holen trotzdem den Tierarzt. Nach der Sache mit Stellar wollen wir doch nicht nachlässig wirken.«
    Der Mann gab ein trockenes Lachen von sich. »Darüber haben die Leute sich schon ihre Meinung gebildet. Die glauben, was sie glauben wollen.«
    »Das Schlimmste«, sagte die Frau. »Heute hat mich Jane Lennox angerufen. Sie wollte Park Lane bei einem anderen Trainer unterbringen. Ich hab’s ihr ausgeredet.«
    »Das glaub ich dir gern. Du bist sehr überzeugend, Paris.«
    »Wir sind hier in Amerika. Da gilt man als unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist.«
    »Aber nur, wenn man reich oder schön oder charmant ist.«
    »Don ist schön und charmant, und alle halten ihn für schuldig.«
    »So wie O. J. Simpson schuldig war? Der spielt Golf und bumst weiße Frauen.«
    »So was sagt man doch nicht!«
    »Aber es stimmt. Und Jade hat einen Stall voller Pferde. Amerikaner …« Verächtlich.
    »Ich bin Amerikanerin.« Leichte Gereiztheit in der Stimme. »Willst du sagen, ich sei dumm?«
    »Paris …« Ölige Zerknirschung.
    »Dumme Amerikaner kaufen deine Pferde und füllen dir die Taschen. Du solltest etwas mehr Respekt zeigen. Oder beweist das nur, wie dumm wir sind?«
    »Paris …« Noch öligere Zerknirschung. »Sei mir nicht böse. Ich möchte nicht, dass du böse auf mich bist.«
    »Nein, das kann ich mir denken.«
    Ein Jack-Russell-Terrier kam schnüffelnd um die Ecke und starrte mich an, während er das Bein hob, gegen einen Heuballen pinkelte und überlegte, ob er meine Deckung auffliegen lassen sollte oder nicht. Das Bein senkte sich, und der Hund bellte los wie eine Alarmanlage. Ich blieb, wo ich war.
    Die Frau rief: »Milo! Milo, komm her!«
    Milo dachte nicht daran. Bei jedem Bellen hüpfte er hoch wie ein Gummiball.
    Die Frau kam um die Ecke, sah mich erstaunt an. Sie war blond und hübsch, trug eine dunkle Reithose und ein grünes Polohemd, dazu mehrere Goldketten um den Hals. Sie schenkte mir ein Tausend-Watt-Zahnpastalächeln, das nicht mehr war als ein Anspannen ihrer Kinnmuskeln.
    »Tut mir Leid. Er hält sich für einen Rottweiler«, sagte sie und hob den Russell hoch. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich weiß nicht. Ich suche nach jemandem. Mir wurde gesagt, dass sie für Don Jade arbeitet. Erin Seabright?«
    »Erin? Was wollen Sie von ihr?«
    »Das ist mir ein bisschen unangenehm«, erwiderte ich. »Ich hörte, sie sucht einen anderen Job. Ich habe einen Freund, der eine Pferdepflegerin sucht. Sie wissen, wie das während der Saison ist.«
    »Das können Sie laut sagen!« Sie stieß einen dramatischen, aufgesetzten Seufzer aus und verdrehte ihre großen braunen Augen. Eine Schauspielerin. »Wir
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