Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schattenpferd

Titel: Schattenpferd
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
Ich ließ die Hand hinten in meinen Hosenbund gleiten und berührte die Waffe.
    »Sind Sie diese Versicherungsagentin, Elle Stevens?«, fragte er.
    »Ich?« Ich lachte. »Großer Gott, nein. Ich arbeite nicht.« Das sagte ich mit der Verachtung, die meine Mutter benutzt haben würde. »Die Geschichte ist einfach nur gut, mehr nicht. Don Jade: der gefährliche, mysteriöse Mann. Sie kennen doch die Leute aus Palm Beach. Können keinem saftigen Skandal widerstehen. Meine momentan größte Sorge ist, wo ich mein nächstes gutes Pferd herbekomme. Was bei den Springreitern vorgeht, ist für mich nichts weiter als guter Tratsch und Klatsch.«
    Darauf entspannte er sich, hatte entschieden, dass ich genug mit mir selbst beschäftigt war. Er gab mir seine Visitenkarte und holte den Charme wieder hervor. Habgier bringt jeden Mann in Schwung. »Rufen Sie mich an, Elle Stevens. Ich finde das Pferd für Sie.«
    Ich versuchte zu lächeln, wusste genau, dass sich dabei nur die eine Hälfte meines Gesichts verzog. »Könnte gut sein, dass ich darauf zurückkomme, Mr. Van Zandt.«
    »Nennen Sie mich V.«, bat er in merkwürdig vertraulichem Ton. »V. für verdammt gute Pferde. V. für Victory auf dem Parcours.«
    V. für Vollidiot.
    »Jetzt sind wir Freunde«, verkündete er, beugte sich vor und küsste mich auf die rechte Wange, dann auf die linke und noch mal auf die rechte. Seine Lippen waren kalt und trocken.
    »Dreimal«, sagte er, wieder ganz der Ölige. »Wie die Holländer.«
    »Ich werd’s mir merken. Nochmals vielen Dank fürs Mitnehmen.«
    Ich stieg in mein Auto und setzte zurück. Das hintere Tor war verschlossen. Ich wendete und fuhr den Weg an Zelt neunzehn vorbei. Van Zandt folgte mir zum Lastwageneingang. In den vier festen Ställen rechts davon brannte helles Licht. Ein Wachmann stand in dem Häuschen zwischen den Fahrspuren vor dem Haupttor. Aus dem vor ihm stehenden Radio ertönte laute Reggaemusik. Ich winkte ihm zu. Er winkte mich durch, die Aufmerksamkeit ganz auf den riesigen Pferdetransporter gerichtet, der gerade ankam. Ich hätte den Kofferraum voll gestohlener Sättel haben können. Ich hätte auch eine Leiche transportieren können. Ich hätte jeder sein, alles Mögliche tun können. Ein beunruhigender Gedanke für die Heimfahrt.
    Ich bog rechts auf die Pierson ab. Van Zandt ebenfalls. Ich beobachtete ihn im Rückspiegel, fragte mich, ob er mir geglaubt hatte, dass ich keine Versicherungsagentin war. Wie er wohl reagieren würde, wenn er das Foto in Sidelines sah und zwei und zwei zusammenzählte?
    Aber in dieser Hinsicht sind die Menschen komisch, lassen sich leichter an der Nase herumführen, als man denken sollte. Ich sah nicht wie die Frau auf dem Foto aus. Mein Haar war kurz. Ich hatte nicht den Namen der Frau auf dem Foto angegeben. Die einzige Verbindung war Sean. Trotzdem, bei dem Wort Privatdetektivin würden Alarmglocken läuten. Ich konnte nur hoffen, dass Sean Recht behielt: dass nur Dressurreiter den Dressurteil lesen.
    Am South Shore bog ich rechts ab. Van Zandt fuhr nach links.
    Ich machte die Scheinwerfer aus, wendete und folgte ihm in einiger Entfernung, vorbei am Polostadion. Er parkte vor dem Players-Club .Leute zu bewirten, gehört zum Beruf des Pferdehändlers. Ein neuer bester Freund an der Bar in so einem Club könnte sich als jemand mit tiefen Taschen und keiner Selbstbeherrschung herausstellen.
    Van Zandt würde einen hübschen Profit dabei rausschlagen, ein belgisches Springpferd an Stellars Besitzer zu verkaufen, der eine fette Versicherungssumme für ein Pferd ohne echte Zukunft kassieren würde. Und Don Jade – der Stellar trainiert und geritten hatte, und auch das nächste trainieren und reiten würde – stand zwischen den beiden, bekam von beiden Seiten Geld. Vielleicht saßen sie gerade alle zusammen im Players und tranken auf Stellars günstiges Ableben.
    Von Erin Seabright hatte man seit der Nacht, in der Stellar gestorben war, nichts mehr gehört.
    Ich verwarf den Gedanken, in die Bar zu gehen. Ich war nicht vorbereitet. Stattdessen gab ich Gas, wendete und fuhr nach Hause.
    Ich stand kurz davor, Privatdetektivin zu werden.

4
    Ich frage mich, wieso ich immer noch lebe.
    Billy Golam hatte mir die Waffe direkt vors Gesicht gehalten. In zahllosen Albträumen habe ich in die Mündung der 375er geschaut und meinen anscheinend letzten Atemzug getan. Aber Golam hatte sich umgedreht und in eine andere Richtung geschossen.
    War leben meine Strafe, mein Fegefeuer? Oder hätte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher