Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Faran Ured nahm sich vor, die Hütte und ihre Bewohner im Auge zu behalten. Wenn er mehr darüber in Erfahrung gebracht hatte, was hier vorging, würde vielleicht ein zweiter Besuch erforderlich sein, und der würde dann weit unerfreulicher verlaufen. Er verfluchte seine geheimniskrämerischen Auftraggeber. Sie ließen ihn im Dunkeln tappen, vermutlich gefiel es ihnen sogar, dass er sich so abstrampeln musste, aber er würde sich nicht entmutigen lassen. Er würde diese Rätsel schon lösen, eines nach dem anderen, vielleicht sogar das von der Galeere mit gelbem Segel, die ihm der Teller gezeigt hatte und die irgendwie mit der ganzen Sache zusammenhängen musste.
Der Bug einer Galeere schnitt durch die Wellen des Goldenen Meeres. Die Rudersträflinge brachten sie schnell voran, und ihr gelbes Segel blähte sich in einem hilfreichen Wind. Delfine spielten um ihren Bug, und einzelne hohe Wolken am blauen Himmel versprachen einen weiteren ruhigen Tag auf See. Kapitän Sepe Baak stand auf dem Achterdeck und starrte missmutig zum Bug, wo Prinz Gajan von Atgath mit seinen drei Söhnen stand und den Delfinen zusah.
Warum hat er seine Kinder mit auf diese Reise genommen?, fragte sich der Kapitän. Das jüngste war erst vier und fürchtete sich vor seinem schwarzen Bart. Es war nie von Kindern die Rede gewesen, als er den Auftrag angenommen hatte. Der Kapitän warf einen Seitenblick auf Jamad, der an der Reling lehnte und über die Wellen schaute. Vorne im Bug schrie eines der Kinder begeistert auf. Es war das mittlere, ein aufgeweckter Knabe von vielleicht zehn Jahren, und er konnte sich nicht sattsehen am Spiel der Delfine. Gajans Frau Seja und Prinz Olan, sein jüngerer Bruder, saßen dort vorne im Schatten des Baldachins, und die Prinzessin mahnte ihre Kinder immer wieder laut und beinahe vergeblich zur Vorsicht, wenn sie sich weit über die Reling lehnten. Prinz Gajan war eben noch bei ihm gewesen, hatte gefragt, wann sie endlich am Zielhafen eintreffen würden, und schließlich Baaks Versicherung geglaubt, dass sie am nächsten Morgen in Felisan anlegen würden. Aber das würden sie nicht. Der Kapitän schüttelte den Kopf. Nicht wegen der beiden Männer und nicht einmal wegen der Frau hatte er Bedenken, schon gar nicht wegen der fünfzig Sträflinge, die im Unterdeck an den langen Riemen saßen, denn deren Schicksal war ohnehin besiegelt – aber von Kindern hatte niemand etwas gesagt.
» Ihr werdet doch nicht etwa weich?«, fragte die sanfte Stimme von Jamad, der plötzlich neben ihm stand.
Sepe Baak brummte nur zur Antwort und schüttelte den mächtigen Kopf. Er überragte den schlanken Matrosen beinahe um Haupteslänge, aber doch hatte er Angst vor ihm. Es lag etwas in den blassbraunen Augen dieses jungen Mannes, eine fürchterliche Härte, die den Kapitän zutiefst beunruhigte.
» Wann wollt Ihr es endlich hinter Euch bringen? Es ist nicht mehr viel Zeit, Kapitän.«
Wieder brummte Sepe Baak, aber dann rang er sich doch zu einer Antwort durch: » Der Kurs ist schon längst geändert. Nur ein paar Strich, damit niemand es merkt. Heute Nacht, vielleicht gegen Morgengrauen, streifen wir die Schärensee. Tückisches Gewässer, voller Felsen und Klippen. Wir laufen auf das Messerriff, einen Ausläufer, schmal, leicht zu übersehen. Und dann mit dem Boot nach Felisan. Müssen ja sehen, dass wir selbst mit heiler Haut davonkommen, oder?«
Jamad sah ihm in die Augen, und der Kapitän hatte das Gefühl, dass der junge Mann ihm auf den Grund der Seele schaute. Er versuchte, seine innersten Gedanken zu verbergen, denn er hatte inzwischen eine ziemlich deutliche Ahnung, wer und was der junge Matrose in Wirklichkeit war. Ihm war längst klar geworden, dass er besser alles tat, was Jamad verlangte. Vorne lachten die Kinder mit ihrem Vater. Sepe Baak wandte den Blick ab. Hier ging es schon lange nicht mehr um die Belohnung, hier ging es um sein Leben.
Faran Ured entdeckte die Soldaten ein Stück oberhalb der Furt, und er sah gleich, dass sie etwas gefunden haben mussten, denn sie wirkten aufgeregt, und zwei der Männer stapften widerwillig in den Bach hinein. Ured gab sich Mühe, harmlos zu wirken, und schlenderte näher heran. Der Kristallbach zwängte sich hier zwischen einigen Findlingen hindurch und hatte abseits der schnellen Strömung zwei kleine, steinige Buchten gebildet, und aus einer der beiden zogen die Soldaten nun einen Leichnam. Ured trat näher heran.
» Das ist Verwalter Ludgar, Hauptmann«, stellte ein
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