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Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Titel: Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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waren ehrlich, und nicht alle waren gottgefällig.« Er riss etwas Brot ab. Er hatte diese Geschichte schon oft erzählt. Sie gefiel ihm, denn sie kam der Wahrheit recht nahe, nur dass er nie ein Händler gewesen war, und an seinen » Geschäften« wohl nur der Gott der Diebe Gefallen fand. » Eines Tages geriet mein Schiff in Seenot, und ich blickte dem Tod ins Antlitz.«
    » Und da habt Ihr geschworen, nur noch Gutes zu tun?«, fragte das Mädchen beinahe spöttisch.
    Ured schüttelte den Kopf. » Nein, ich schwor in diesem Augenblick nicht, denn ich war viel zu verängstigt für einen klaren Gedanken, doch fragte ich mich nach meiner Rettung, wie der Tod über mich richten wird, wenn er dann doch eines Tages kommt. Er ist unbestechlich, wisst Ihr, und mein damaliger Reichtum hätte mir nichts genützt. Also begann ich, mein Gold den Armen zu geben. Ich verschenkte alles, was ich besaß, und dann machte ich mich auf, den Spuren des Wanderers zu folgen, von dem ich so viel gehört hatte.«
    » Und Eure Frau, Eure Kinder?«
    Sie ließ einfach nicht locker. Ured setzte ein betrübtes Gesicht auf. » Meine Frau … fragt mich bitte nicht nach ihr.« Das war die einzig mögliche Antwort, denn aus irgendeinem Grund brachte er es nicht fertig, sie einfach zu verleugnen.
    Plötzlich legte der Köhler ihm eine Pranke auf den Arm. » Ach, sagt nichts mehr, Freund, sagt nichts mehr. Ihr wisst gar nicht, wie gut ich Euch verstehe.«
    Trübsinn erfüllte den Raum. Selbst das Mädchen wirkte plötzlich seltsam verloren. Ured war längst klar, dass sie es war, die diesen Hof und diese Familie zusammenhielt. Und jetzt war zu erkennen, wie schwer diese Verantwortung auf ihr lastete. Er blickte verstohlen von einem zum anderen. Letztlich hatten sie ihm seine Geschichte also doch abgekauft. Und was hatte er hier erfahren? Der Teller hatte ihm den Karren des Köhlers gezeigt, und offenbar hatte dieser den angeblichen Vetter aus dem Wasser gezogen, einen jungen Mann mit einigen interessanten Narben. In Verbindung mit der schwarzen Kleidung und dem falschen Namen legte das eine ganz bestimmte Schlussfolgerung nahe. Offensichtlich hatte diese Köhlerfamilie jedoch keine Ahnung, wer da bei ihnen am Tisch saß, und der angebliche Vetter verstellte sich so vollkommen, dass selbst Faran Ured plötzlich unsicher wurde. Vielleicht täuschte er sich? Die schwarze Kleidung war ein starker Hinweis, aber seine Auftraggeber hatten nichts von einem zweiten Schatten gesagt. Und wie war der junge Mann in die Furt geraten, und was tat er halbnackt in einer Köhlerhütte? Ured seufzte. Statt Antworten also neue Rätsel. Wenn er nur das Wasser hätte fragen können!
    Die Tür öffnete sich, und ein zweiter Knabe, jünger als sein Bruder, stolperte eilig in die Stube. » Da sind Soldaten, oben am Bach. Sie suchen etwas.«
    » Soldaten?«, fragte der Köhler, und seine Miene wurde noch düsterer.
    » Ein gutes Dutzend, Vater.«
    » Das trifft sich gut«, rief Faran Ured. » Ich werde ihnen erzählen, was mir widerfahren ist. Denn es war ja nicht weit von dieser Stadt, dass diese Räuber mich überfallen haben. Vielleicht können sie sie jagen und fangen.«
    Der Köhler schnaubte verächtlich.
    Ured schob den Teller zur Seite, stand auf, bedankte sich freundlich und wünschte den Segen des Wanderers auf die Hütte herab. Als er vor die Tür treten wollte, wurde er von dem Mädchen noch einmal aufgehalten. » Seid doch so gut, Herr, und erwähnt meinen Vetter nicht, wenn Ihr mit den Soldaten redet. Er hatte gestern in der Stadt Streit mit ihnen, und sie könnten ihm das nachtragen.«
    Sie verfügte wirklich über eine schnelle Auffassungsgabe, fand Ured. Er versprach es und ging hinaus.
    Als er den Weg zum Bach hinaufwanderte, fragte er sich, ob der » Vetter« wirklich jener Körper gewesen war, den er leblos im Wasser hatte treiben sehen. Das Wasser. Er hätte die Wassermagie nicht nutzen dürfen, um die beiden Wegelagerer zu töten, dann wüsste er jetzt mehr und müsste nicht raten, was es mit dem » Vetter« auf sich hatte. Jetzt musste er es auf die altmodische Art in Erfahrung bringen, unverfängliche Fragen stellen, und das war immer ungünstig, weil schon eine einzige Frage zu viel Verdacht erregen konnte. Das Mädchen hatte ihm nicht getraut. Sie war vermutlich die Einzige in der Familie, die ahnte, dass Unheil über der Hütte hing. Ein Unheil, das nicht unbedingt von ihm ausgehen musste, wenn man bedachte, wen sie dort drinnen aufgenommen hatten.

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