Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
junger Offizier fest, wohl ein Leutnant, als er die Leiche auf den Rücken drehte. Bleiches Herbstlaub rieselte von den Birken und legte sich wie trauriger Schmuck auf den kalten Leib des Toten.
» Wer hätte das gedacht«, murmelte der Hauptmann und starrte auf das blasse, aufgedunsene Gesicht hinab.
Der Leutnant tastete den Körper ab, und seine Finger blieben über einem Riss in der Kleidung des Toten hängen. Er öffnete ihn und legte eine tiefe Stichwunde frei.
» Möge seine Seele einen sicheren Pfad hinauf in die Himmel finden«, sagte Faran Ured, der einfach hinzugetreten war.
Der Hauptmann starrte ihn misstrauisch an. » Wer, bei der Unterwelt, seid Ihr denn? Und was habt Ihr hier zu suchen?«
» Faran Ured ist mein Name, Herr. Ich bin ein Jünger des Wanderers und helfe, wo immer ich kann. Doch wie ich sehe, kann ich hier nicht mehr tun, als für diese arme Seele zu beten.«
» Ein Jünger? Was soll das heißen? Seid Ihr ein Priester oder ein Heiler? Für Ersteres hätten wir vielleicht Verwendung, für das Zweite ist es zu spät, denn der Mann ist tot.«
» Ich sehe es, und mein Mitgefühl gilt seinen Angehörigen. Ein Heiler bin ich eigentlich nicht, nur ein einfacher Pilger, der seinen Pfad im Leben sucht.«
» Vermutet Ihr ihn etwa hier im Buschwerk? Ich frage Euch noch einmal, was habt Ihr hier zu suchen?«, fragte der Hauptmann unfreundlich.
» Ein Bauer, der auf dem Weg zum Markt war, erzählte mir, dass er Soldaten am Bach gesehen hat, und ich nahm es als Wink des Himmels, denn denkt Euch, ich wurde im Morgengrauen von Wegelagerern überfallen.«
» Räuber? Hier?«, fragte der Hauptmann.
» Nun, nicht hier am Bach, Bruder, sondern ein Stück oberhalb, dort, wo die Riesenbuchen wachsen.«
» Ah, oberhalb«, sagte der Hauptmann. » Dann wird es das Beste sein, Ihr geht in die Stadt und macht Meldung bei den Marktwachen, oder gleich bei Richter Hert. Ihr seht ja, dass wir beschäftigt sind.«
» Ich wollte Euch keineswegs stören, Herr. Doch seid so gut und sagt mir wenigstens, wie der Mann hieß und wer er war, so dass ich ihn in meine Gebete einschließen kann. Vielleicht kann ich auch später nach seinen Angehörigen sehen.«
Der Hauptmann hatte jedoch offenbar beschlossen, den Prediger zu ignorieren, und schnauzte seine Männer an, die den Toten angafften. » Ihr da, steht nicht herum, schneidet Äste für eine Bahre, denn wir müssen ihn doch in die Stadt schaffen.« Dann beugte er sich zum Toten hinab, murmelte noch einmal » wer hätte das gedacht«, erhob sich wieder und sagte: » Adlatus Hamoch wird zufrieden sein.«
» Zufrieden, Hauptmann?«, fragte der Leutnant mit einem Stirnrunzeln.
» Nun, wir haben den Eindringling gefunden, und er ist tot, wie der Magier vermutet hatte.«
» Verzeiht, Hauptmann, aber das ist Verwalter Ludgar. Der Mann war beinahe sechzig und doch sicher nicht in der Lage, wie ein Affe über die Mauern und Dächer der Burg zu klettern.«
Der Hauptmann schüttelte den Kopf. » Ihr begreift es nicht, Aggi, aber das ist kein Wunder, denn Ihr seid noch nicht so lange dabei wie ich. Mauern und Dächer? Denkt nach! Er musste gar nicht klettern, denn er hatte doch einen Schlüssel für die Burg.«
» Und was wollte er dann auf dem Dach?«
» Wer kann schon wissen, was in einem Mann vorgeht?«
» Und die Stichwunde? Die stammt sicher nicht von Meister Hamochs Falle. Wie erklärt Ihr Euch diese Wunde?«
» Das wird sich alles finden, Leutnant. Auf jeden Fall haben wir einen Erfolg, und das sollten wir dem Adlatus melden.«
» Jawohl, Hauptmann«, sagte der Leutnant mit ausdruckslosem Gesicht.
Faran Ured bewunderte ihn für seine Selbstbeherrschung. Es war offensichtlich, dass der Hauptmann dazu neigte, es sich möglichst einfach zu machen. Er selbst fand etwas anderes aufschlussreich: Es gab also einen toten Verwalter mit Zugang zur Burg von Atgath, und offenbar hatte jemand versucht, in diese Burg einzudringen. Er hatte einen Verdacht, wer das gewesen sein könnte, vermutlich hatte er ihm eben erst gegenübergesessen. Er hatte also zwei weitere Steinchen in diesem Mosaik, das er Stück für Stück zusammensetzen musste.
Der Hauptmann wandte sich ihm zu. » Ihr da, Pilger, ich denke, für Euch gibt es hier nichts mehr zu tun. Verschwindet!«
» Nun, Ihr wolltet mir seinen Namen sagen, und vielleicht auch, wo ich seine Angehörigen finde, damit ich mit ihnen beten kann.« Ured lächelte freundlich und machte keinerlei Anstalten zu gehen. So wie er den
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