Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
harte Frauenstimme.
In der Tür des eigentlichen Laboratoriums stand eine verhärmt wirkende Frau. Ela hatte sie bis dahin gar nicht bemerkt.
» Bring sie ruhig hinunter, Esara, aber sorge dafür, dass sie nicht fortzulaufen versucht oder irgendeinen anderen Unsinn macht. Ich werde gleich nachkommen.«
Die Frau nickte, packte Ela hart am Arm und schob sie in das Laboratorium. Es roch eigenartig süßlich, das war das Erste, was Ela auffiel. Viele Lampen hingen dort von der Decke, so dass es in dem fensterlosen Raum überraschend hell war. Und was war das? Ließ der Zauberer etwa Kinder für sich arbeiten? Ela sah kleine Gestalten, die eifrig verschiedenen Aufgaben nachgingen. Dann blieb sie stehen, weil eines der Geschöpfe sie angesehen hatte. Das waren keine Kinder – diese Gesichter, so glatt, so widernatürlich, diese unheimlichen Augen. » Was sind das für Wesen?«, fragte sie flüsternd.
» Das sind die Homunkuli. Sie werden dir nichts tun, solange du keinen Ärger machst. Und jetzt geh weiter.«
Mit weichen Knien stieg Ela weiter die Treppe hinab. Esaras knochige Hand schob sie in eine Ecke.
» Wir sind auf Besuch nicht eingerichtet, Mädchen, aber dieser Stuhl wird es vorerst tun. Setz dich und wehre dich nicht.«
Ela konnte den Blick nicht von den Geschöpfen wenden, die wortlos ihrer Arbeit nachgingen. Sie zählte fünf. Dann sah sie die großen Glaskolben – sie glichen jenen, die sie bei Wulger Dorn in der Werkstatt gesehen hatte, nur dass sie mit einer trüben, gelblich gärenden Flüssigkeit gefüllt waren. Aber da – hatte sich nicht etwas in diesem Kolben bewegt? Für einen Augenblick glaubte Ela, dort ein zuckendes Bein gesehen zu haben. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Was für seltsame Dinge gingen hier vor? Sie konnte nicht verhindern, dass sie die kleinen, unheimlichen Wesen anschaute, und bemerkte zunächst gar nicht, dass Esara sie an den Stuhl fesselte.
» Starr sie besser nicht an, Mädchen. Ist unhöflich, und sie mögen es auch nicht«, sagte die Frau kalt.
Ela nickte, aber sie konnte nicht anders. Eines dieser Wesen erwiderte jetzt ihren Blick. Das glatte Gesicht blieb dabei völlig ausdruckslos. Es war unerträglich. Ela wandte sich entsetzt ab. Diese Wesen waren einer der Höllen entsprungen – und der Adlatus war ihr Herr. Ela bekam es mit der Angst zu tun, und zum ersten Mal seit Jahren wünschte sie sich, dass ihr Vater bei ihr wäre.
» Augenblick, ich brauche eine kurze Rast«, bat Heiram Grams und lehnte sich an die Wand. Er hatte das Gefühl, dass ihm Branntwein aus allen Poren ran. Warum war es unter der Erde so warm, und warum war der Weg so weit?
» Es ist deine Tochter«, sagte der Mahr.
» Ich weiß, aber wenn ich tot zusammenbreche, nutze ich ihr nichts mehr.« Er setzte sich ächzend auf den nackten Steinboden. Diese Gänge nahmen kein Ende. » Wie weit ist es noch, und wie tief unter der Erde sind wir eigentlich?« Er starrte an die grob behauene Decke und hatte plötzlich Angst, dass sie einbrechen und der Berg ihn unter sich begraben würde.
» Nicht mehr weit. Und viele Klafter tief.«
» Wie beruhigend«, murmelte Grams und schloss die Augen. Seine Kehle war schon wieder ganz ausgetrocknet.
» Willst du etwas Wasser?«
Grams öffnete ein Auge und nickte. Er nahm einen Schluck aus dem angebotenen Schlauch. Es kam ihm vor, als würde sich der Mahr immer besser ausdrücken, als hätte es ihm nur an Übung beim Sprechen gefehlt. » Kann ich dich etwas fragen? Ich meine, ich bin mir nicht sicher, ob ich es richtig verstanden habe, aber du hast gesagt, ihr habt Atgath gebaut.«
Der Mahr sah ihn einen Augenblick aus seinen unergründlichen Augen an, dann seufzte er mit einem Schulterzucken, einer Geste, die der Köhler noch nie bei ihm gesehen hatte, und setzte sich ihm gegenüber an die Stollenwand. » Wir haben Mahratgath gebaut, vor vielen hundert Jahren. Eine Festung, um den Eingang zu schützen.«
» Den Eingang?«
» Zu dem Land unter den Bergen.«
» Ich habe nie davon gehört«, sagte der Köhler nachdenklich. » Es gibt nur ein paar Märchen, die man Kindern erzählt, von Berggeistern, und eines, in dem es heißt, sie hätten für die Herzöge eine Burg herbeigezaubert.«
Der Mahr nickte, und eine Art Lächeln spielte um seine blassen Lippen. » So wollen wir es. Vergessen sein. Wir haben die tieferen Gänge verschlossen und die Festung guten Menschen geschenkt. Freunden. Vielleicht ein Fehler.«
Der Köhler versuchte zu folgen. »
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