Schattenprinz
Menschen überall auf dem Kontinent gewährt hat. Ich bin sicher, dass der Kaiser es uns vergelten wird, wenn wir für die Sicherheit seines geliebten Sohnes sorgen. Es besteht kein Grund, unbedacht zu handeln.«
»Wir sollten erwarten können, für unsere geleisteten Dienste entschädigt zu werden.« Der Kaufmann grinste und klopfte sich auf den umfangreichen Bauch. »Schließlich braucht jedermann etwas zu essen, Monsieur .« Das erzeugte im Saal einen Chor aus nervösem Gelächter. »Ich bin stolz darauf, Marseille aus dem dunklen Mittelalter geholt zu haben. Und Sie werden natürlich Ihren Anteil an der Belohnung erhalten, falls das Ihre Sorge sein sollte, Colonel. Ich bin ein fairer Mann, und Sie haben ihn sich verdient.«
Abrupt stürmte Anhalt in die Menge der Männer mit ihren steifen Krägen. Seine roboterhaften Bewegungen waren beängstigend in ihrer Direktheit. Männer wichen zurück, begleitet vom Scharren der Stühle. Im hinteren Teil des Saales lösten sich mehrere kräftige Fuhrmänner von der Wand, die in der neoklassizistischen Umgebung ziemlich fehl am Platz wirkten, und schoben sich vorwärts. Der Kaufmann sah sich schnell zu ihnen um, und sie blieben stehen, beobachteten die Angelegenheit jedoch weiter, bereit, sich wieder in Bewegung zu setzen.
Anhalt baute sich vor dem massigen Kaufmann auf, der ihn weit überragte. Der Geruch von Wein ging von dem korpulenten Händler aus und schlug dem Soldaten entgegen. Er kannte diesen Mann oder zumindest diesen Typ Mann. In der Ratskammer bediente sich der Kaufmann des schönsten, klassischen Französisch, doch in seinem Büro und den Lagerhäusern im Hafenviertel sprach er raues Patois, die mediterrane Handelssprache, die sich entwickelt hatte, seit die Vampirrevolution Europäer, Levantiner und Nordafrikaner gezwungen hatte, sich zu vermischen.
Anhalt beugte sich weit zu seinem Gegenüber vor und flüsterte: »Der Junge wird mit Sorgfalt behandelt und so schnell wie möglich zu seiner Familie zurückgebracht. Ich mache Sie persönlich dafür verantwortlich, Monsieur . Oder würden Sie es vorziehen, wenn Ihre Schiffe in den Häfen des Reiches festgesetzt und beschlagnahmt werden?«
Der Kaufmann wurde blass und starrte ihn aus schmalen Augen an. Aber er blieb stumm. Der Rest des Saales hielt sich aus der Auseinandersetzung der beiden Männer heraus. Sogar der Bürgermeister konnte keine weiteren beschwichtigenden Worte mehr aufbringen. Anhalt schnaubte verächtlich und schritt ohne einen weiteren Blick auf die beiden Fuhrmänner, die ihn wütend anstarrten, durch die breiten Türen aus der Ratskammer.
Simon lag im Bett und zupfte an den Kleidern, die man ihm gegeben hatte. »Die sind nicht sehr gut geschneidert«, bemerkte er ohne Böswilligkeit. Dann schnüffelte er an seinem Ärmel und rümpfte die Nase. »Wolle.« Sein Gesicht war grün und blau, und um seine Brust spannte sich ein straffer Verband. Er hatte sehr starke Schmerzen gehabt, bis man ihm ein paar Tropfen Laudanum verabreicht hatte. Nun fühlte er nicht viel, und die Welt war angenehm verschwommen.
Anhalt wandte sich vom Fensterflügel und dem bezaubernden Anblick des mondbeschienenen Hafens ab, in dem sich kleine Segelboote und ein paar Dampfschiffe drängten. Es freute ihn zu sehen, dass der Prinz seinen Oberkörper wieder bewegen konnte. Das war ein gutes Zeichen. Der Arzt hatte gesagt, Simons Rückgrat sei nicht gebrochen und er würde wahrscheinlich viel von seiner Beweglichkeit in der unteren Körperhälfte zurückgewinnen, trotz des strapaziösen und riskanten Transports vom Schlachtfeld nach Marseille. Das verringerte die Last von Anhalts Schuldgefühlen in dieser Angelegenheit beträchtlich.
»Wann brechen wir auf?«, fragte Simon.
»Bald. Es wurde bereits eine Nachricht an Ihren Vater, den Kaiser, geschickt.« Vorsichtig verlagerte Anhalt sein ganzes Gewicht wieder auf sein verletztes Bein.
»Werden Sie mich denn nicht die ganze Strecke bis nach Alexandria begleiten?«
»Meine Pflicht gilt Ihrer Hoheit, Prinzessin Adele.«
In Simons Augen traten die ersten Anzeichen von Tränen seit der Schlacht und dem Verlust seiner Schwester. »Wenn ich Kaiser wäre, dann würde ich dafür sorgen, dass jedermann vor Vampiren sicher wäre.«
»Wünschen Sie sich denn, eines Tages Kaiser zu werden?«
Der Junge lag stumm da, nur sein Schniefen brach das Schweigen. Er rieb die Wange übers Kissen. »Eigentlich nicht.«
»Dann machen Sie sich keine Sorgen. Das werden Sie auch nicht.
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