Schattenschmerz
Frank hat mir von Ihnen erzählt.»
Sie stellte sich zu Steenhoff, legte einen Arm um seine Hüfte und drückte ihn an sich.
Chris Lorenz traute ihren Augen nicht. Ihr Blick flog zwischen beiden hin und her. Sie konnte nicht verstehen, wieso ihr dramatischer Auftritt bei der Ehefrau völlig anders verlief als geplant.
Beherrscht fügte Petersen hinzu: «Damit, denke ich, wäre wohl alles geklärt.» Ohne Frank Steenhoff loszulassen, zeigte sie in Richtung der Hofeinfahrt.
Chris Lorenz wurde blass. Einen Moment sah es so aus, als wollte sie etwas erwidern. Doch sie stand einfach nur mit offenem Mund im Flur. Mit einem Ruck drehte sie sich schließlich auf dem Absatz herum und ging wortlos hinaus. Die Tür fiel mit einem Knall hinter ihr ins Schloss.
Frank Steenhoff löste sich als Erster aus der Umarmung.
«Verdammt noch mal. Ich fühle mich wie ein Idiot!» Aufgebracht schlug er mit dem Faustballen gegen die Wand.
«Hm.» Navideh Petersen verschränkte die Arme vor der Brust.
«Sie hat gedacht, du wärst Ira!»
«Hm.»
«Sie wollte alles kaputtmachen. Dabei habe ich ihr nie Hoffnung auf mehr gemacht.» Steenhoff fuhr sich durch die Haare. «Wir hatten eine Affäre, ja. In Korsika. Eine Nacht. Das war’s.» Er schnaufte. «Danach hat sich Chris immer wieder bei mir gemeldet. Ich dachte, ich hätte ihr am Sonnabend endgültig klargemacht, dass ich Ira niemals verlassen werde. Und jetzt taucht sie hier auf und …» Er schüttelte fassungslos den Kopf.
«Hm.»
«Kannst du mal etwas anderes sagen als immer nur ‹hm›?», fuhr er Petersen gereizt an.
Petersen richtete sich gerade auf: «Du hast recht: Du bist ein Idiot.» Damit ging sie ins Wohnzimmer und ließ sich aufs Sofa fallen.
Steenhoff setzte sich neben sie. Vergeblich suchte er nach den richtigen Worten und schob unruhig die noch ungelesene Zeitung beiseite, die vor ihm auf dem Tisch lag. Das Titelbild zeigte aufgeregte, schreiende Männer, die in ihrer Mitte einen Verletzten trugen. Der Turban des Mannes war blutverschmiert.
Steenhoff starrte auf die neueste Schlagzeile aus Afghanistan, ohne ein Wort zu verstehen. Er drehte sich zu Petersen und versuchte, ihren Blick einzufangen.
«Ich hatte gestern mit Tewes vereinbart, dass ich den Tag nach Iras Ankunft freinehme.»
Petersen zuckte gleichgültig mit den Schultern.
«Nicht einfach so, sondern aus einem bestimmten Grund: Ich brauche Zeit. Ira und ich müssen viel besprechen.»
Navideh drehte ihm den Kopf zu. Ein kaum merkliches Lächeln spielte um ihre Lippen. Ihre Blicke verfingen sich.
Steenhoff hätte schwören können, dass sie sich nie näher gewesen waren.
Plötzlich schlug sie ihm aufmunternd mit der Hand auf den Oberschenkel und sprang auf. Sie griff nach einem Lappen und sagte mit gespielter Strenge: «Dann los, Herr Kommissar. In ein paar Stunden steht Ira vor der Tür. Ab in die Küche!»
Das Sofakissen verfehlte Navideh Petersen nur um Haaresbreite.
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Über Rose Gerdts
Rose Gerdts-Schiffler, 1960 geboren, ist Sozialwissenschaftlerin und arbeitet seit über 20 Jahren für den Weser-Kurier in Bremen als Polizei- und Gerichtsreporterin. Regelmäßig begleitet die Journalistin große Schwurgerichtsprozesse. Einer ihrer Schwerpunkte sind Kriminalitätsphänomene und deren Ursachen. Rose Gerdts-Schiffler ist verheiratet und Mutter zweier Söhne. Zusammen mit ihrer Familie lebt sie in Bremen.
Weitere Veröffentlichung:
Ehrenhüter
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Über dieses Buch
Bombenalarm
Frühmorgens explodiert in einem Stadtpark in Bremen eine Bombe. Ein Gärtner stirbt, sein Kollege überlebt schwer verletzt. Während der Tatort geräumt wird, finden Polizisten in der Nähe eines Kindergartens eine entschärfte Landmine - eine Nachricht der Bombenleger. Zugleich drohen sie mit weiteren Anschlägen.
Die Ermittler Frank Steenhoff und Navideh Petersen befürchten einen terroristischen Hintergrund. Fieberhaft versuchen sie den Attentätern zuvorzukommen. Als sie endlich das wahre Motiv hinter dem Anschlag erkennen, bekommt der Fall eine völlig neue Dimension ...
«Authentisch, spannend und einzigartig in diesem Genre.» (Axel Petermann, Fallanalytiker und Autor des Bestsellers «Auf der Spur des Bösen»)
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Impressum
Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Dezember 2011
Copyright © 2011 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede
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