Schattenschmerz
vorzugehen – stellvertretend für andere Rüstungsunternehmen.
Erst gegen 2 Uhr nachts schlief Steenhoff ein.
Am nächsten Morgen hätte er sich gern noch einmal umgedreht und weitergeschlafen. Er fühlte sich zerschlagen.
Bevor er unter die Dusche ging, stellte er die Kaffeemaschine an und steckte zwei Scheiben Brot in den Toaster. Dann öffnete er noch das Fenster in der Küche. Die frische Luft beim Frühstück würde ihm helfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Draußen war es stürmisch geworden. Immer wieder jagten Böen über die Wiesen. Braune Gräser und ein paar verkrüppelte Bäumchen duckten sich im Wind.
Als Frank Steenhoff eine Viertelstunde später aus dem Bad kam, blieb er wie angewurzelt stehen: Es roch verbrannt!
Fluchend riss er die Tür zur Küche auf. Der Raum war über und über mit einer feinen Rußschicht überzogen. Offensichtlich hatte die Gardine Feuer gefangen. Reste des verbrannten Vorhangs lagen neben dem Toaster. Erst jetzt sah er, dass das Gerät viel näher als sonst am Fenster stand. Teile des brennenden Stoffs mussten auf den Tontopf gefallen sein, in dem Ira neben Damast-Messern und Schneebesen auch mehrere Pfannenheber aus Holz und Plastik aufbewahrte.
Steenhoff griff sich den Lappen, der über der Spüle hing, und fing an, die Schranktür über dem Toaster abzuwischen. Schwarze Schlieren blieben an der Oberfläche zurück. Wütend verließ er die Küche und zog sich alte Kleidung an. Dann rief er bei Petersen an. Sie sollte Tewes und den anderen Bescheid sagen, dass er nicht vor Mittag ins Büro kommen würde, da es bei ihm in der Küche gebrannt hatte. Petersen erkundigte sich besorgt, aber Steenhoff war nicht nach Reden. Nach wenigen Sätzen beendete er das Gespräch.
Eine halbe Stunde später klingelte es bei ihm an der Haustür.
Durch das rautenförmige Glas im Türblatt erkannte er Navideh Petersen.
Überrascht öffnete er die Tür. «Was machst
du
hier?»
Ihr Gesicht war verschwitzt und vor Anstrengung leicht gerötet. Sie zeigte auf ihr Mountainbike, an dessen Lenker ein blauer Eimer mit Lappen und Reinigungsmitteln baumelte.
«110. Noteinsatz beim Kollegen.»
Schmunzelnd ließ er sie herein. «Wenn jetzt auch noch der Rest der Soko kommt, dann können sich Ira und ich den Frühjahrsputz sparen.»
Sie waren gut eine Stunde bei der Arbeit, als es erneut an der Tür klingelte. Diesmal konnte Frank Steenhoff nicht erkennen, wer es war. Der Besucher stand nicht vor, sondern neben der Tür. Neugierig öffnete er.
Im ersten Moment verschlug es ihm die Sprache. Mühsam fasste er sich wieder.
«Chris! Was soll das? Was machst du hier?»
Auch Chris Lorenz schien nicht mit ihm gerechnet zu haben. «Oh, hallo, Frank. Ich dachte, du wärst bei der Arbeit», sagte sie irritiert. Doch dann kam sie schnell zur Sache. «Ich wollte gar nicht zu dir.»
Ihr Blick ging an Steenhoff vorbei zu Navideh Petersen, die sich gerade einen neuen Lappen aus dem Vorratsraum neben der Eingangstür holte.
«Ich wollte mit Ihnen sprechen», wandte sie sich an Navideh Petersen.
Erstaunt musterte Navideh die Frau. Sie hatte sie noch nie zuvor gesehen. «Entschuldigung, ich habe keine Ahnung, worum es geht.»
Die Besucherin drängte sich an Steenhoff vorbei in den Flur. «Ich bin Franks Geliebte!»
Navideh Petersen starrte sie mit offenem Mund an.
Verärgert fuhr Steenhoff herum und blaffte Chris Lorenz an: «Geliebte ist ein großes Wort dafür, dass wir eine Nacht zusammen verbracht haben. Was soll dieser Auftritt, Chris?»
Ihre Augen verengten sich zu einem schmalen Spalt. «Findest du nicht, Frank, dass deine Frau ein Recht darauf hat, zu erfahren, wie und mit wem du sie hintergehst? Dass wir häufig Kontakt hatten, miteinander telefoniert haben, dass du sie mit Rezepten aus
meinem
Kochbuch bekochst und dass du am letzten Sonnabend bei mir warst?»
«Was für ein widerliches Spiel spielst du hier?» Steenhoff griff sie am Arm. Aber sie riss sich los und baute sich direkt vor Navideh Petersen auf.
«Sie sollten wissen, was Ihr Mann hinter Ihrem Rücken treibt.» Sie verzog ihr Gesicht zu einem eisigen Lächeln. «Ich für meinen Teil bin mit Frank durch. Doch Sie müssen ja noch ein paar Jahre mit ihm aushalten.»
Navideh Petersen warf Steenhoff einen kurzen Blick zu. Dann ergriff sie das Wort: «Sie sind also die Rhabarberfrau. Ehrlich gesagt habe ich mich schon immer gefragt, wie Sie wohl aussehen. Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, Frau Lorenz. Aber
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