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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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über den Rücken.
    «Ja, anfangs wollte ich tatsächlich dein Geld … Die Millionen hätten etwas helfen können», begann sie zögerlich. «Es gibt genug Leute in Afghanistan, die es dringend gebrauchen könnten. Die jeden Tag ihr Leben riskieren, um das, was deine Familie dem Land angetan hat, zu mildern. Die die zerfetzten Körper wieder zusammenflicken. Die den Kindern beibringen, wie sie mit Prothesen laufen können … Ja, ich habe tatsächlich gedacht, dass es etwas nützt, wenn deine Millionen wieder zurückgehen in das Land, das für Leute wie dich und deinen Vater zur Goldgrube wurde.»
    «Wir … Wir produzieren keine Landminen mehr», stotterte von Germershausen. «Wir halten uns an die … an die internationalen Verträge.»
    «Du Heuchler!» Sie machte einen Schritt auf ihn zu, als wollte sie ihn schlagen. «Nicht einen einzigen Cent steckt ihr in die Räumung der Minen, mit denen ihr die halbe Welt verseucht habt. Das Geld investieren Leute wie du lieber in die Forschung von neuen Prototypen. Was steht noch auf eurer Homepage?»
    Die Frau tat, als müsse sie nachdenken.
    «Intelligente Waffen! Munition, die ihr Ziel selbst sucht. Die sich selbst zerstört, wenn sie nicht mehr gebraucht wird. Wer eure Behauptungen Lügen nennt, wird mit Prozessen überzogen. Streumunition! Auch so ein Wort, das ihr gar nicht gerne in Zeitungen lest. Wer es trotzdem schreibt, bekommt es mit euren Anwälten zu tun.»
    Sie holte aus und trat mit Wucht gegen den niedrigen Tisch, der zwischen ihnen stand.
    «Nein, ich will dein Geld nicht mehr, Germershausen. Was würden ein paar Millionen Euro schon ändern? Außerdem würden sie mich vermutlich schnappen, bevor ich das Geld nach Afghanistan gebracht hätte. Und selbst, wenn ich es schaffen würde – wie vielen Menschen könnte damit schon geholfen werden?»
    Sie ging zu einem Stuhl am Fenster, drehte ihn um, bevor sie sich setzte, und stützte ihre Unterarme auf die Rückenlehne auf.
    Hasso von Germershausen ließ sie keine Sekunde aus den Augen.
    «Ich habe begriffen», fuhr sie fort, «dass es etwas Wichtigeres gibt, als zehn, hundert oder tausend schwerverletzten Kindern zu helfen. Denn ihre Freunde leben weiter in der Angst, mit jedem Schritt draußen auf den Feldern irgendwann das gleiche Schicksal zu erleiden.» Sie musterte ihn abfällig. «Die Menschen hier, sie müssen begreifen, was für Verbrecher wir unter uns haben. Mit wem sie am Wochenende Golf spielen, Essen gehen und Geschäfte machen. Sie müssen erkennen, was für Lügen ihr verbreitet, wenn ihr von Waffen schwärmt, die die Umwelt wenig belasten, die punktgenau ihr Ziel zerstören, die helfen, sogenannte Kollateralschäden zu vermeiden.» Sie senkte ihre Stimme und presste die Lippen zusammen. «Aber weißt du, Germershausen, die Menschen verstehen nichts, wenn sie es nicht fühlen.»
    Drohend zeigte sie mit dem Finger auf ihn und trat näher an ihn heran.
    «Du, Germershausen, wirst mir dabei helfen. Die Leute sollen begreifen, was es heißt, in einem minenverseuchten Gebiet wie in Afghanistan, in Kambodscha oder Angola Ziegen zu hüten und Brennholz zu sammeln. Du wirst mein Botschafter sein. Und ich will, dass du ihnen sagst, dass es dreihundertmal so viel kostet, eine Mine zu räumen wie eine Mine zu produzieren.» Sie stand jetzt direkt vor ihm. «Wirst du das machen?»
    Hasso von Germershausen schluckte und suchte nach der passenden Antwort. Einer Antwort, die ihn retten würde.
    Plötzlich begriff er, was ihre Worte bedeuteten. Die Frau wollte ihn gar nicht töten. Er sollte ihr Werkzeug sein, für was auch immer.
    Hoffnung keimte in ihm auf. «Was soll ich machen?»
    «Du wirst es ihnen sagen.»
    Er nickte eifrig. «Ja, natürlich, ich sag es ihnen. Alles, was Sie wollen.»
    «Gut.»
    Die Frau suchte etwas in ihrer Hosentasche und zog schließlich einen silbernen Schlüssel hervor.
    Bevor Hasso von Germershausen richtig begriff, war seine linke Hand frei. Die Handschellen baumelten lose am Treppengeländer.
    Die Frau hob ihren Pulli hoch und zog eine Pistole aus ihrem Hosenbund. Den Lauf der Waffe richtete sie auf seinen Oberkörper, dann schob sie ihm den Schlüssel zu.
    «Mach dich ab. Aber ganz langsam. Eine falsche Bewegung, und ich schieße.»
    Zitternd beugte sich Hasso von Germershausen vor und fasste nach dem Schlüssel. Er brauchte mehrere Anläufe, bis er auch seine andere Hand von den Handschellen befreit hatte.
    «Steh auf», befahl sie.
    Steif erhob sich Hasso von

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