Schattenschmerz
Germershausen, aber seine Beine gaben nach, und er sackte zurück in den Sessel. «Entschuldigung.» Er hob die Hände und sagte gequält: «Meine Beine …»
«Stell dich nicht an. Los, hoch.»
Mit dem Lauf der Pistole dirigierte sie ihn in Richtung Tür. «Aufmachen.»
Als Hasso von Germershausen die Tür öffnete, konnte er zunächst nichts erkennen. Aber das Rauschen hoher Bäume und die absolute Dunkelheit um das Häuschen herum verrieten ihm, dass ihn die Frau an einen Ort irgendwo auf dem Lande verschleppt hatte.
«Hinter den Bäumen verläuft ein Feldweg. Wenn du dich rechts hältst, kommst du nach einer Viertelstunde auf eine Straße.» Sie warf ihm eine schwarze Augenbinde zu, die er unbeholfen auffing. «Binde sie um. Dann geh so lange geradeaus, wie ich es dir sage. Erst, wenn ich es dir befehle, nimmst du die Binde wieder ab.»
Hasso von Germershausen zögerte. «Aber, was soll –»
«Geh!»
Er streifte sich die Binde über und trat vor die Tür. Er spürte ihren Blick im Rücken, wagte aber nicht, sich umzudrehen oder zu protestieren.
Unsicher tastete er sich mit den Füßen Schritt für Schritt voran. Alle paar Meter gab ihm die Frau einen neuen Befehl. Mal sollte er nach links, dann wieder einen Meter nach rechts gehen. Dann abrupt stehen bleiben. Ihm schwindelte. Aber mit jedem Schritt, den er sich von der Hütte und der Stimme entfernte, fühlte er sich sicherer.
‹Wenn ich den Feldweg erreicht habe, habe ich es geschafft›, schoss es ihm durch den Kopf.
Er stellte sich vor, wie er im Zickzackkurs die restlichen Meter vom Grundstück auf den Feldweg rannte. Nur weg von dieser Frau.
«Stopp!» Ihre Stimme vibrierte.
Er blieb abrupt stehen.
«Nimm die Binde ab. Langsam.»
Hasso von Germershausen befolgte ihren Befehl. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Zehn Meter rechts von ihm lag ein Pfad, der an beiden Seiten vereinzelt mit runden Feldsteinen markiert war. Auf der linken Seite des Grundstücks standen mehrere alte Bäume eng beieinander. Außer einem hölzernen, in sich zusammengefallenen Komposthaufen in einiger Entfernung war das Grundstück um die Hütte herum der Natur überlassen worden.
Ein letztes Mal drehte er sich um.
Die Frau lehnte an der Hüttenwand, direkt am Eingang. Neben ihr stand ein Stativ, auf dem eine Kamera montiert war. Von Germershausen erkannte an einem roten Pünktchen, dass sie eingeschaltet war.
«Das war knapp, Germershausen. Wirklich knapp.»
Die Frau stand so im Lichtschein der Hütte, dass ihr Gesicht im Schatten lag. Er sah nur ihre Konturen und hörte ihre Stimme. Der Ton hatte nichts Fürsorgliches mehr an sich.
«Na, überlegst du, ob du jetzt rennen und weglaufen solltest?» Sie lachte gehässig auf. «Das ist deine Entscheidung. Ich werde gleich die Waffe wegstecken. Dann bist du frei. Kannst gehen, wohin du willst. Zu dem kleinen Pfad, der dich auf den Feldweg führt, oder am Kompost vorbei. Oder du rennst rüber zu den Bäumen …»
Etwas in ihrer Stimme alarmierte ihn. «Was wollen Sie, das ich tue?», rief er misstrauisch.
«Es ist alles deine Entscheidung, Germershausen. Allein deine Entscheidung. Aber pass gut auf, wohin du trittst.» Kalt fügte sie hinzu: «Jeder Schritt kann dein letzter sein.»
Damit steckte sie ihre Waffe in den Bund ihrer Hose.
Germershausen erstarrte. «Was … was heißt das?», stammelte er.
«Du weißt genau, was das heißt.» Er hörte sie böse auflachen. «Aber das ist doch sicherlich kein Problem für dich. Deine Familie kennt sich damit ja bestens aus.»
Sie drehte sich um und wollte zurück ins Haus gehen, als sein Schrei sie mitten in der Bewegung innehalten ließ.
«Warten Sie», flehte von Germershausen. «Bitte, bleib stehen! Lass mich hier nicht allein. Ich verspreche, ich sag ihnen allen … Sag allen, was für Scheißminen das sind, die
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früher produziert hat.»
Sie machte eine Bewegung, als wollte sie sagen: ‹Und weiter?›
«Und dass wir Rüstungsunternehmen die Gewinne in die Beseitigung der Landminen stecken müssten …», stieß er atemlos hervor, «… und dass eine Mine zu produzieren nur ein paar Dollar kostet, ihre Beseitigung aber mehrere hundert Dollar.»
Sie nickte anerkennend.
«Und ich werde öffentlich sagen, dass es in der Mehrzahl Frauen und Kinder trifft», fügte Hasso von Germershausen unterwürfig hinzu.
‹Was will sie noch hören?› Seine Gedanken überschlugen sich. Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg.
Aber
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