Schattenschwestern - Feehan, C: Schattenschwestern - Conspiracy Game
letzte Hoffnung eines unerfahrenen Mädchens gewesen? Vielleicht war es ihr eigenes Warnsystem gewesen, das geschrillt hatte, damit sie sich von ihm fernhielt. Ihr Selbsterhaltungstrieb verlangte, dass sie diese Warnung beherzigte, und doch war sie gerade auf dem besten Wege, ihren Kopf wieder ins Maul des Löwen zu stecken.
Der Lolo National Forest umgab sie jetzt auf allen Seiten.
Das Anwesen, das sie zu finden versuchten, lag mitten darin. Der Berghang war üppig mit Bäumen bewachsen, und oft erhaschte sie flüchtige Blicke auf wild lebende Tiere.
»Ich glaube, wir sind so gut wie da, Briony«, sagte Jebediah. Er fuhr langsamer und starrte den schmalen Pfad an, der nach rechts abzweigte. »Du musst dir absolut sicher sein, dass du es wirklich tun willst. Ich glaube, wir folgen diesem Bach noch etwa vier Meilen weit, dann sind wir da. Wenn wir dort ankommen, ist es zu spät; dann kannst du es dir nicht mehr anders überlegen.«
Einen Moment lang bekam sie keine Luft. Sie hob eine Hand, und ihr Bruder hielt den Geländewagen an. Briony sprang raus und übergab sich immer wieder. Anschließend lehnte sie an der Tür, während ihr Magen gegen die Notwendigkeit protestierte, Norton um Hilfe zu bitten. Allein schon ihr Stolz gebot ihr, sich von ihm fernzuhalten, aber ihn um seinen Schutz bitten zu müssen …
Briony schüttelte den Kopf, als sie das Tuch entgegennahm, das Jebediah ihr reichte. Die Vorstellung, die Geborgenheit ihrer Familie zu einem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Angehörigen mehr denn je brauchte, zu verlassen, um zu einem Mann zu gehen, der sie nicht haben wollte, ließ sie innerlich erkalten.
»Ist alles in Ordnung mit dir?« Jebediah rieb mitfühlend ihren Rücken.
»Sag ihm nichts von dem Baby. Lass uns erst mal sehen, wie er reagiert, wenn wir ihm von Whitney erzählen.«
»Falls wir überhaupt nah genug an ihn herankommen, um mit ihm zu reden«, sagte Jebediah. »Sei vorsichtig, Briony. Wir kommen nicht zwangsläufig mit dem Leben davon.«
»Ich weiß.« Sie nickte, und ihr Magen verkrampfte sich wieder. »Es tut mir leid, dass ich dich in Gefahr bringe. Vielleicht sollte ich von hier aus laufen.«
»Das kommt überhaupt nicht infrage. Wenn du hingehst, komme ich mit.«
Ein Geräusch weckte ihn, etwas, was nicht mit den vertrauten nächtlichen Geräuschen im Einklang war. Jack war schlagartig hellwach. Er blieb einen Moment lang in höchster Alarmbereitschaft liegen und öffnete seine sämtlichen Sinne auf der Suche nach dem Störfaktor im Rhythmus der Nacht. Er schlief selten über einen längeren Zeitraum und immer nur sehr leicht. Irgendwo in der Nähe ertönte ein leiser Schrei – wie eine Eule, ohne den dazugehörigen Nachhall; das Geräusch kam nicht von der Lichtung, eher aus dem Wald dicht vor dem Eingang seines Hauses.
Jack stellte seine Füße vollkommen lautlos auf den Boden. Er hob seine Jeans und sein Hemd auf, zog beides an und schnallte sich eine lange Lederscheide mit einem Messer um, das so scharf wie eine Rasierklinge war. Mit einer Smith & Wesson in der Hand tappte er lautlos zur Tür. Er bewegte sich zielsicher durch die Dunkelheit im Flur und schlüpfte durch die Tür ins Zimmer seines Bruders.
Er berührte leicht die Schulter seines Zwillingsbruders. Ken war bereits wach und zog seine Jeans an, und ihm war deutlich bewusst, dass die Stille notwendig war. Sie verständigten sich mit Handzeichen, wie sie es schon seit ihrer Kindheit taten. Telepathie setzten sie lieber dann ein, wenn sie räumlich weiter voneinander entfernt waren. Ken schnappte sich sein Gewehr, ein Nachtzielfernrohr und eine Schachtel Patronen.
Jack wählte zum Verlassen des Hauses eine Seitentür und stahl sich mit lautlosen Bewegungen in die Nacht hinaus. Er bedeutete Ken, sich einen erhöhten Aussichtspunkt zu suchen, und bahnte sich dann selbst einen Weg über die Lichtung, ein Schatten unter den Schatten, erst ein Geröllbrocken, dann ein Baum, ein Teil der Nacht.
Sowie er den Schutz des Waldes erreicht hatte, wählte Jack sorgsam sein Schlachtfeld – gute Deckung, gute Fluchtwege, eine freie Schusslinie für Ken. Jack gab einen leisen Pfiff von sich, um den Eindringling anzulocken. Ken würde ein Zielfernrohr benutzen, um die exakte Anzahl von Eindringlingen zu ermitteln.
»Jack.« Die Stimme war nicht mehr als ein leises Zischen. »Ich bin es, Jack. Jebediah«, fuhr die Stimme fort. »Jebediah Jenkins.«
»Komm näher«, sagte Jack leise in die Nacht, und es klang eher nach einer
Weitere Kostenlose Bücher