Schattenspieler (German Edition)
prahlen zu können.
»Die Wolowski-Sammlung war eine der bedeutendsten
privaten Kunstsammlungen in Polen. Nur neunundzwanzig
Gemälde. Aber die hatten es in sich.«
Er legte kurz die Stirn in Falten, als müsste er seine Gedanken
sortieren. In seinen Augen leuchtete eine fast verträumte
Begeisterung, als er weitersprach: »Ein Tizian. Ein El Greco.
Ein Velázquez. Zwei Rembrandts. Ein Watteau. Drei Turners.
Ein Ingres. Drei Manets. Zwei Seurats. Drei Monets. Zwei
Courbets. Ein Degas. Drei van Goghs. Zwei Renoirs. Zwei
Cézannes. Und ein Matisse.«
Friedrich schaute etwas ratlos drein. Aber Leo verstand,
wovon die Rede war. Er hatte in Wilhelms Wohnung viel Zeit
gehabt, um Bildbände zu wälzen – genug, um zu wissen, dass
eine Sammlung mit solchen Namen ein Vermögen wert sein
musste.
Mackensen blickte sie triumphierend an, als hätte er selbst
die Gemälde zusammengetragen.
»Und was hat mein Vater damit zu tun?«, fragte Friedrich.
Mackensen grinste süffisant. »Eine ganze Menge«, sagte er.
Seine Zunge schien jetzt doch etwas schwer geworden zu sein.
Bevor er weitersprach, langte er hinter sich, fischte ein Trockentuch
von einem Schrank und tupfte schwerfällig den verschütteten
Schnaps auf. Dann nahm er einen Schluck, verzog
wieder das Gesicht, sammelte sich und erzählte weiter.
»Die Familie Wolowski hatte früher als andere begriffen,
was die Stunde geschlagen hatte. Also haben sie schon im
Sommer 1939 ihre ganze Sammlung an eine Pariser Galerie
verkauft, um der Enteignung zuvorzukommen. Der Galerist
war Jude, und als wir in Frankreich einmarschierten, war ihm
natürlich klar, dass er mit den Bildern auch das Problem gekauft
hatte. Er hat es noch geschafft, die Sammlung in seinen
Landsitz zu bringen und einmauern zu lassen. Aber wir
haben einen seiner Angestellten aufgetrieben und zum Reden
gebracht.«
»Zum Reden gebracht«, wiederholte Friedrich.
»Oh, nicht, was du jetzt vielleicht denkst. Unser Informant
hat eine Zeichnung von Dürer dafür bekommen. Albrecht
Dürer, ja? Sagt der euch was?«
Friedrich nickte.
»Die Zeichnung war mehr Geld wert, als der Mann im ganzen
Jahr verdiente. Es konnte sich also niemand beschweren.«
»Außer dem Galeristen vielleicht«, warf Friedrich angewidert
ein.
Mackensen beugte sich vor und musterte ihn eiskalt. »Der
hat sich aber nicht beschwert. Da, wo der gelandet ist, gab es
nämlich keinen Kummerkasten.«
Leo hielt es kaum noch auf seinem Stuhl. Er wollte nur
noch nach draußen.
»Und dann?«, beharrte Friedrich.
»Dann kam dein Vater ins Spiel. Er hat mit Göring einen
genialen Kuhhandel eingefädelt. Göring hat die ganze Sammlung
über seine Leute in Den Haag verkaufen lassen und dafür
gesorgt, dass Posse aus dem Spiel blieb. Die Sammlung ging
geschlossen an einen Käufer, der keinen Wert darauf legte,
dass sein Name an die große Glocke gehängt wurde.«
»Und warum hat Göring sie nicht selbst behalten, wenn er
so scharf auf Kunstwerke war?«
Mackensen machte eine unwirsche Geste in der Luft. »Weil
er mit dem ganzen Impressionistenkram nichts anfangen
konnte. Dein Vater hat ihm einen Cranach aus einer anderen
Pariser Sammlung zugeschustert, hinter dem Göring schon
lange her war. Cranach war eine der vielen teuren Leidenschaften
des Reichsmarschalls. Damit war das Geschäft perfekt.
Das Geld ist in Form von Provisionen und Schweigegeldern
in eine ganze Reihe von Taschen geflossen und am Ende
waren alle zufrieden. So lief das damals. Nur für deinen Vater
gab es noch ein Nachspiel.«
»Warum das denn?«
»Wie ich vorhin sagte, enthielt die Wolowski-Sammlung
zwei Rembrandts.« Mackensen machte eine bedeutungsschwere
Pause.
»Ja, und?«
Wieder nahm Mackensen einen Schluck Wodka. »Als die
Sammlung verkauft wurde, bestand sie nur noch aus achtundzwanzig
Gemälden. Ein Rembrandt war plötzlich verschwunden.
Ich weiß nicht genau, wie sie das angestellt haben. Und
ich bin mir auch nicht sicher, ob dein Vater wirklich etwas
damit zu tun hatte. Jedenfalls unterstellte Rosenberg ihm, das
Gemälde unterschlagen zu haben.«
Leo sah, dass aus Friedrichs Gesicht alle Farbe gewichen war.
Auch Mackensen war das nicht entgangen. Väterlich legte er
ihm die Hand auf den Arm, aber Friedrich zuckte zurück, als
hätte er einen Stromschlag bekommen.
»Nun fang dich mal wieder. Dein Vater war kein schlechter
Kerl. Er hat einfach die Möglichkeiten der Zeit genutzt. Unter
uns Pastorentöchtern: Das haben wir doch alle so gemacht.«
Mackensen blinzelte
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