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Schattenspieler (German Edition)

Schattenspieler (German Edition)

Titel: Schattenspieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Michael Römling
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über private
Bankkonten und Versicherungen, ein paar Zeugnisse und Urkunden,
die die Stationen von Gustav Häcks Karriere markierten.
Ein Blatt mit einer hingekritzelten Kinderzeichnung,
in staksigen Lettern signiert mit Fridrich .
    Auch die anderen Stapel enthielten nichts, was irgendwie
mit Gustav Häcks Aktivitäten im Krieg zusammenhing. Leo
warf einen Seitenblick auf seinen Freund. Dessen Gesicht
wurde immer länger. Doch als er den letzten Stapel durchblätterte,
stutzte Friedrich plötzlich, sah genauer hin und pfiff
durch die Zähne.
    »Na bitte!«, sagte er nur. Seine Augen flogen über die mit
Maschine geschriebenen Zeilen.
    Leo hätte seinem Freund am liebsten den Brief aus der Hand
gerissen. Friedrich blickte ihn über den Rand des Papiers kurz
an, dann grinste er.
    »Ein Brief an meinen Vater«, sagte er. »Ich lese vor.«

    Lieber Freund Häck!

    Über Dein Paket habe ich mich sehr gefreut. Die kleine Madonna
hängt jetzt über meinem Schreibtisch und lächelt mich an,
während ich sonst in den vergangenen Wochen nichts als Ärger
hatte. Ich nehme an, die Nachrichten von den Terrorangriffen
auf Berlin im Oktober sind auch bei Euch in Kiew angekommen.
Unsere Firma hat ein paar Volltreffer bekommen, und Du kannst
Dir vorstellen, was das Holzlager für ein tolles Feuer abgegeben
hat! Wir werden den Betrieb wohl erst nach dem Krieg wieder
aufnehmen können. Bis dahin heißt es: Zähne zusammenbeißen!
    Ich bin nun also den ganzen Tag damit beschäftigt, das abzuwickeln,
was von der Firma noch übrig ist. Das Personal ist
schon abgezogen worden, als hätte man nur darauf gewartet, sie
endlich in die Rüstungsbetriebe stecken zu können. Meine Beschwerden
beim Kreisleiter waren umsonst. Womit soll ich ihm
auch kommen?
    In Riga geht es kaum vorwärts. Unsere Depots sind so voll, dass
wir mit dem Sichten nicht mehr nachkommen. Das meiste von
dem Material ist kaum oder gar nicht zu gebrauchen. Was von
Wert ist, wurde längst weggeschafft. Wir bräuchten mehr Personal,
um den Berg abzutragen. In Berlin sieht es nicht anders aus:
Sie wollen gar nichts mehr nehmen, was nicht vorsortiert ist. Aus
Frankreich kommen derweil weiter ganze Güterzüge von Möbeln
an, von denen keiner mehr weiß, wo sie eigentlich untergestellt
werden sollen. Von Behr und Mackensen arbeiten ein bisschen zu
gut. Und zu allem Überfluss schießt auch noch die Wehrmacht
ständig quer, weil sie die Waggons für den Nachschub brauchen.
Als ob wir daran schuld wären, dass die den Krieg nicht gewinnen!
    Mit Gauleiter Koch habe ich wieder wegen der kleinen Rubens-
Auswahl gesprochen. Er ist noch unentschieden, dabei wäre
jetzt ein guter Zeitpunkt. Schlimm reißt auch langsam der Geduldsfaden.
Du kennst ihn ja.
    Du siehst, mein lieber Häck: nichts als Ärger! Aber es hilft
ja nichts. Wenigstens Deine kleine Madonna muntert mich auf.
Ich hoffe, Dir geht es in Kiew so weit gut und ich kann mich bei
Gelegenheit revanchieren. Wenn ich etwas für Dich tun kann, so
schreib mir. Vielleicht können wir bald mal wieder mit einem
feinen Bordeaux auf die alten Zeiten anstoßen!

    Leo blickte Friedrich an. »Scheint ja eine eingeschworene
Sippschaft gewesen zu sein. Dein Vater, Koch, Schlimm. Lauter
Namen, die dieser Mackensen heute erwähnt hat. Und zu
allem Überfluss kommt er selbst auch noch vor. Weil er so
gute Arbeit gemacht hat in Paris. Nur von diesem von Behr
hat er nichts gesagt.«
    »Von wem ist denn überhaupt der Brief?«, fragte Leo.
    Friedrich starrte auf das Papier und legte die Stirn in Falten.
    »Ziemliche Klaue«, sagte er. »Der weiß schon, warum er mit
Maschine schreibt.«
    Er reichte Leo den Brief.
    Die Unterschrift war eng, aber schwungvoll, mit ausholenden
Oberlängen. Als Leo den Namen schließlich entziffert
hatte, fiel ihm das Blatt aus der Hand.
    Albrecht Sommerbier.

Sommerbier lehnte sich zurück und genoss die Sonnenstrahlen,
die durch die Scheiben des Busses hereinfielen und seine
Haut wärmten. Leutnant Golubew hatte ihm tatsächlich
einen Platz in dem Transport mit den britischen Offizieren
beschafft. Er gehörte zu den Handverlesenen.
    Und mit der Uhr des toten Gardiner war das nicht zu teuer
bezahlt gewesen. Die Zeit vor der Abreise hatte Sommerbier
mit einem Dutzend anderen Briten in einem unzerstörten
Potsdamer Hotel verbracht, englisches Frühstück eingeschlossen.
Die britische Luftwaffe hatte sogar frische Uniformen
geschickt, wahrscheinlich damit sie bei der Ankunft in Reims
für die Fotografen auch gut

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